Wirecard-Lobby im Online Glücksspiel

Der Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard hat in den letzten Monaten hohe Wellen geschlagen. Auch Kooperationen mit dem Glückspielsektor sind Teil der Debatte. Seit neuestem wird darüber berichtet, dass Wirecard sich in Deutschland einen lukrativen Großauftrag im Zuge der geplanten Marktöffnung für Online Glücksspiele ab Juli 2021 sichern wollte. Die Debatte wurde von einem investigativen Bericht der Wirtschaftszeitung Capital ins Rollen gebracht.

Ein inhaftierter Häftling blickt aus dem Fenster.

Ein inzwischen inhaftierter Ex-Manager soll für die fragliche Lobbyarbeit verantwortlich sein. ©DonaldTong/Pexels

Wirecard wollte zentralisierte Transaktionen

Nur wenige Wochen nachdem der Ladbrokes-Inhaber GVC Holdings alle Wirecard-Verbindungen abgestritten hat, taucht der Name des insolventen Skandal-Unternehmens erneut im Zusammenhang mit Glücksspiel auf. Schauplatz ist diesmal allerdings nicht UK, sondern Deutschland. Laut einem investigativen Report von Capital soll Wirecard versucht haben, auf dem künftig legalisierten Online Glücksspielmarkt Fuß zu fassen und dort eine ebenso lukrative wie fragwürdige Position einzunehmen.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, soll Wirecard versucht haben, infolge der Legalisierung ab Juli 2021 eine Stellung als zentraler Zahlungsabwickler für Glücksspieltransaktionen einzunehmen. Capital spricht sogar von einem Zahlungs-TÜV. Um diese Position zu erhalten, soll Wirecard eine flächendeckende Lobbyarbeit bei den Staatskanzleien der Bundesländer betrieben haben. Bei einigen Ländern soll der Zahlungsdienstleister damit auf offene Ohren gestoßen sein.

Milliardendeal nur knapp verfehlt

Die Idee zu dem Großauftrag soll Wirecard im Zuge der Verhandlungen über die Regulation des deutschen Online Glücksspiels geäußert haben, wo das Unternehmen den Ländern beratend zur Seite stand. Laut Aussagen der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei hatte Wirecard dabei ein spezielles Verfahren vorgeschlagen, um glücksspielbezogenen Transaktionen zentral zu kanalisieren. Die Bundesländer sollen folglich über die Idee diskutiert haben.

Hätte man dem Vorschlag zugestimmt, wäre Wirecard damit ein Milliardendeal zugespielt worden. Dies, obwohl Wirecard auch schon vor dem Bilanzskandal ein berüchtigter Name war, der in den Medien häufig mit Transaktionen für Pornografie und Glücksspiel in Verbindung gebracht wurde. Das Unternehmen implodierte, nachdem aufgedeckt wurde, dass eine angebliche Finanzrücklage von rund 1,9 Mrd. Euro in Wahrheit gar nicht existiert.

Inhaftierter Ex-Manager verantwortlich

Laut Aussagen von Capital soll ein ehemaliger Manager – der Sonderbeauftragte des Wirecard-Vorstands Burkhard Ley – für die massive Lobbyarbeit verantwortlich gewesen sein. Ley, der über viele Jahre als Finanzvorstand fungierte, sitzt inzwischen in Haft. Bei seiner Tätigkeit in Bezug auf das deutsche Online Glücksspiel soll Ley von dem Medienverband DVTM sowie von der Beratungsfirma des früheren Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust Unterstützung erhalten haben.

Auch in dieser Angelegenheit sprach Capital mit der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, die bestätigte, dass Ley sich zwei Mal mit dem Staatskanzleichef Clemens Hoch getroffen hatte, um über die Digitalisierung des deutschen Glücksspiels zu sprechen. Ein Treffen soll Anfang Februar 2017 stattgefunden haben, ein weiteres im Oktober 2018. Bei beiden Begegnungen stand die deutsche Glücksspielnovelle im Vordergrund.

Bei den Verhandlungen sollen obendrein auch Vertreter des Glücksspiels anwesend gewesen sein, Capital wurde an dieser Stelle Einsicht in die Teilnehmerliste gewährt. Diskutiert haben die Anwesenden unter anderem über Kontrollmechanismen in Bezug auf glücksspielbezogene Geldtransfers. Außerdem ging es um ein Beleihungskonzept, wonach staatliche Zuständigkeiten über bestimmte Zeiträume an Unternehmen wie Wirecard abgegeben werden.

Wirecard-Vorschlag wurde eingeschleust

Über Monate hinweg soll Wirecard seine Ambitionen in die Verhandlungen eingeschleust haben. Wirecard war sich demnach darüber im Klaren, dass es den Bundesländern wichtig ist, die Transaktionen vor dem Hintergrund der Liberalisierung in kontrollierte Bahnen zu lenken. Viele der Anbieter operieren bis dato noch von Malta oder Gibraltar aus. Inzwischen haben sich die Länder darauf verständigt, dass eine neue Glückspielbehörde die Zahlungsflüsse überwachen soll.

Viele Fragen sind an dieser Stelle jedoch immer noch unklar. Es verwundert daher nicht, dass sich einige Bundesländer gegenüber dem Wirecard-Modell offengezeigt haben. Zudem würde ein deutsches Unternehmen als zentrale Schaltstelle auch Vorteile in Bezug auf den Datentransfer bieten. Die rheinland-pfälzische Landesregierung erklärte ihr Interesse an dem Modell damit, dass die Entwicklung eigener Kontrollprogramme damit beschleunigt oder gar unnötig geworden wäre.

Boom des Online Glücksspiels

Auch das Interesse von Wirecard an dem Großauftrag ist begründet, denn der seit Jahren boomende Online Glücksspielsektor hätte dem Zahlungsdienstleister milliardenschwere Umsätze beschert. Allein die Bruttospielerträge belaufen sich zurzeit auf schätzungsweise rund vier Mrd. Euro. Noch höhere Gewinne hätten sich aus den wechselseitigen Zahlungen zwischen Kunden und Betreibern ergeben.

Die positive Entwicklung zeigt sich besonders an den Rekordumsätzen bei Sportwetten. Diese lagen 2019 bei rund 9,3 Mrd. Euro., ein Anstieg von satten 21 Prozent. Der Staat profitierte von Steuereinnahmen in Höhe von rund 500 Mio. Euro. Der Skandal um Wirecard unterstreicht an dieser Stelle die Bedeutsamkeit einer einheitlichen Regulierung, womit bessere Kontrollmöglichkeiten und viele Chancen für die Wirtschaft einhergehen.

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