Verfahren gegen Ex-Lottochefs?

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundeslandes Sachsen-Anhalt plant offenbar die Eröffnung eines Verfahrens gegen das abberufene Lottochef-Duo Maren Sieb und Ralf von Einem. Hauptgrund sind Verfehlungen in Bezug auf außergewöhnlich hohe Wettumsätze in einer inzwischen geschlossenen Filiale in Zerbst. Schon 2018 sollen die Lotto-Verantwortlichen anderer Bundesländer auf Unstimmigkeiten hingewiesen haben.

Ein Stapel ausgefüllter Lottoscheine.

Der Lotto-Skandal verdichtet sich, hat die Geschäftsführung bewusst Informationen zurückgehalten? ©WaldemarBrandt/Unsplash

Millionenschwere Oddset-Wetten im Fokus

Die endgültige Abberufung der Lottochefs von Sachsen-Anhalt sorgte Mitte September bereits für Schlagzeilen. Jetzt droht dem Duo, bestehend aus Maren Sieb und Ralf von Einem, sogar ein offizielles Verfahren aufgrund schwerer ordnungswidriger Verfehlungen. Der im November 2019 einberufenen Sonderausschuss des Innenministeriums stellt hierbei die Vorgänge in einer Lotto-Verkaufsstelle in Zerbst in den Mittelpunkt. Die Filiale ist inzwischen geschlossen.

Im Jahr 2017 soll es in Zerbst zu außergewöhnlich hohen Spieleinsätzen und Gewinnausschüttungen bei der Sportwette Oddset gekommen sein. Den Prüfberichten zufolge stieg der Wochenumsatz von rund 300 auf 10.000 Euro an, kurz nachdem eine neue Chefin die Geschäftsführung übernommen hatte. 2018 sollen außerdem mit einer Kundenkarte satte 1,35 Mio. Euro verwettet worden sein, die Gewinne beliefen sich dabei auf 1,53 Mio. Euro.

Verdacht auf Geldwäsche nicht bestätigt

Darüber hinaus sollen neun Spieler innerhalb eines halben Jahres über 100.000 Euro an Wetteinsätzen platziert haben. Da sich nicht klären ließ, woher die Gelder ursprünglich stammten, stand der Verdacht auf Geldwäsche im Raum. Der Ehemann der neuen Geschäftsführerin soll außerdem Mitentwickler einer Lotto-Software sein, woraus sich weitere Fragen für den Untersuchungsausschuss ergeben hatten.

Die Vorwürfe der Geldwäsche, welche ursprünglich von der AfD geäußert und zur Anzeige gebracht wurden, konnte der Untersuchungsausschuss bisher allerdings nicht bestätigen. Laut Prüfbericht sei es zwar zu schwerwiegenden Versäumnissen gekommen, dennoch seien weder Geldwäsche noch Spielmanipulation Hintergrund der Vorgänge in Zerbst gewesen.

Der Untersuchungsausschuss kritisiert Lotto Sachsen-Anhalt nun dafür, die Vorgänge nicht hinreichend bei der Geldwäschestelle sowie den zuständigen Behörden und Gremien transparent gemacht zu haben. Die Berichtspflicht hätten die Lottochefs zwar eingehalten, doch seien die Informationen nicht im angemessenen Umfang übermittelt worden. Schon im Februar sprach Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) daher eine außerordentliche Kündigung für den Betrieb der Filiale aus. Die Schließung beruhte auf einem mangelhaften Vertrauensverhältnis.

Im jüngsten Bericht des Untersuchungsausschusses wird die Problematik erneut bestätigt: Die Lottochefs haben die Ministerien demnach zu keinem Zeitpunkt vollständig über die hohen Wetteinsätze in Zerbst informiert, obwohl dies Pflichtvorgabe in den Bestimmungen für Sportwetten ist. Es bestehe an dieser Stelle keine Holschuld der Glücksspielaufsicht, sondern eine Bringschuld vonseiten der Lottogesellschaft.

Bedenken schon seit 2018 im Raum

Weiteren Auftrieb erhält die Debatte um Lotto Sachsen-Anhalt außerdem dadurch, dass die Lotto-Verantwortlichen anderer Bundesländer schon 2018 auf die fragwürdigen Vorgänge in Zerbst hingewiesen haben. Unter anderem hatte sich die Lottogesellschaft von Bayern eingeschaltet und die Geschäftsstelle angeschrieben. Zudem hatte Lotto Niedersachsen Befürchtungen über womöglich geschäftsschädigendes Verhalten zum Ausdruck gebracht. Beide Lottostellen haben inzwischen vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt.

Bei den Anhörungen kam heraus, dass Lotto Bayern und Lotto Niedersachsen sogar einen Maßnahmenkatalog an Lotto Sachsen-Anhalt übersendet hatten. Um die Schäden einzudämmen, wurde die Einführung eines Einsatzlimits vorgeschlagen. Lotto Sachsen-Anhalt habe daraufhin erklärt, sich mit dem Aufsichtsrat über die Sachlage verständigen zu wollen. Zu weiteren Reaktionen kam es jedoch nicht.

Neben dem Verdacht auf Geldwäsche untersucht der Ausschuss auch Vorwürfe der illegalen Fördermittelvergabe und Vetternwirtschaft. So läuft zurzeit auch eine Überprüfung der Personalpolitik, die Besetzung von sieben Bezirksleiterstellen steht im Fokus. 2018 sollen die Stellen mit rund 1,5 Mio. Euro auf Provisionsbasis bezahlt worden sein, obwohl die Stellen nur über Facebook und auf der Lotto-Seite ausgeschrieben wurden. Nur zwölf Bewerbungen waren eingegangen, das Verfahren wurde nicht hinreichend dokumentiert.

Kann Sachsen-Anhalt Glücksspielaufsicht?

Indessen wird in den Medien auch kritisiert, dass Sachsen-Anhalt im Zuge der Regulation des deutschen Online Glücksspiels ab Juli 2021 eine zentrale Glücksspielbehörde erhalten soll. Es steht die Frage im Raum, ob Sachsen-Anhalt dazu fähig ist, die Online Glücksspielaufsicht für die gesamte Bundesrepublik zu tragen, obwohl es sich grade selbst mitten in einem Wettskandal befindet.

Hinzu kommt, dass immer noch viele Fragen in Bezug auf die neue Glücksspielbehörde ungeklärt sind. Kristin Heiß, die Finanzpolitikerin der oppositionellen Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, kritisierte zuletzt, dass man immer noch nicht wisse, ob die Behörde eine Landesliegenschaft wird oder ob man ein Gebäude anmietet oder baut. Auch die Finanzierung der Behörde sei bis dato nicht geregelt.

Vor dem Hintergrund des Lotto-Skandals erscheinen die Bedenken zumindest naheliegend. Schließlich handelt es sich bei der Legalisierung des boomenden Sektors um einen bedeutsamen Schritt, der bessere Kontrollen, mehr Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen verspricht. Die Entwicklungen bleiben vorerst abzuwarten.

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