Lotto Sachsen-Anhalt: Chefs sind raus

Die Affäre um angebliche Vetternwirtschaft und Veruntreuung von Fördermitteln bei Lotto Sachsen-Anhalt sorgte in den letzten Monaten regelmäßig für Schlagzeilen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hatte mehrere Zeugen befragt, der Landesrechnungshof deckte unter anderem Unstimmigkeiten im Personalwesen auf. Folge ist nun die endgültige Abberufung der Lotto-Chefs Maren Sieb und Ralf von Einem. Mit welchen Entwicklungen ist zu rechnen?

Das Stadtzentrum von Magdeburg am Abend.

Im Juni 2019 hatte die AfD-Fraktion am Amtsgericht Magdeburg Anzeige gegen Lotto erstattet. ©lichtspektrum_org/Pixabay

Hauptgrund: Hohe Spieleinsätze in Zerbst

Nach monatelangen Untersuchungen sind die Geschäftsführer von Lotto Sachsen-Anhalt, Maren Sieb und Ralf von Einem, offiziell aus ihren Positionen entfernt worden. Beide waren schon im Juli beurlaubt worden. Der aktuelle Beschluss zur sofortigen Abberufung erfolgte auf einer Sitzung des Aufsichtsrats am Donnerstag (17.09.). Verkehrsminister Thomas Webel (CDU), der auch als Vorsitzender des Aufsichtsrats fungiert, erklärte, dass es zu mehreren Verfehlungen gekommen sei.

Hauptgrund für die Entlassungen sei, dass die Geschäftsführer den Aufsichtsgremien keine Infos über außergewöhnlich hohe Spieleinsätze in der Filiale Zerbst zukommen ließen. Laut Aussagen des Untersuchungsausschusses hatten hier neun Spieler innerhalb eines halben Jahres über 100.000 Euro an Wetteinsätzen bei Oddset platziert. Gleichzeitig seien auffallend hohe Gewinne ausgezahlt worden. Woher das Geld ursprünglich stammt, ist jedoch unklar.

Im Raum steht folglich der Verdacht auf Geldwäsche. Zudem soll der Ehemann der Geschäftsführerin Maren Sieb in diesem Kontext eine Lotto-Software mitentwickelt haben, was eine Reihe an weiteren Fragen aufwirft. Die Filiale wurde inzwischen sogar geschlossen. Die Schließung wurde mit geschäftsschädigendem Verhalten begründet. Finanzminister Michael Richter (CDU) erließ eine außergewöhnliche Kündigung für den Betrieb der Filiale.

Der Politiker erklärte im Februar, dass die Entscheidung zur Schließung auf einem mangelhaften Vertrauensverhältnis basiere. Die Informationspolitik der Lotto-Geschäftsführerin Maren Sieb wurde von Richter scharf kritisiert. Sie habe demnach nicht hinreichend über die bedeutsamen Vorgänge unterrichtet. Lotto Sachsen-Anhalt erklärte dementgegen, die Vorgänge, wie gesetzlich vorgeschrieben, bei den Behörden gemeldet zu haben. Die Vorwürfe verdichteten sich jedoch immer weiter.

Kritik an Fördermitteln und Sponsoring

Neben den Spieleinsätzen in Zerbst sind jedoch auch weitere Unstimmigkeiten für die Abberufung der Geschäftsführer ausschlaggeben. So äußerte der Landesrechnungshof Kritik an Lotto Sachsen-Anhalt aufgrund der Höhe der Fördermittel an die Historische Kuranlage und das Goethetheater Bad Lauchstädt. Beide hatten zuletzt insgesamt rund 273.000 an Geldern erhalten, die gesetzliche Grenze liegt jedoch bei nur 75.000 Euro.

Die Förderfähigkeit der Institutionen ist laut Aussagen des Rechnungshofs ebenfalls fraglich. Beide Einrichtungen werden vom Land Sachsen-Anhalt vertreten und sind damit Landesorganisationen, die per Gesetz von Fördermittel-Anträgen ausgeschlossen sind. Darüber hinaus wird die Förderung von Kulturveranstaltungen wie das Domplatz-Open-Air kritisiert. Hierbei könnte es sich um kommerzielle Events handeln, die ebenfalls nicht von Lotto gefördert werden dürfen.

Ein dritter Kritikpunkt, der sich explizit gegen Maren Sieb richtet, bezieht sich auf die Sponsoring-Aktivitäten von Lotto beim Handballverein SC Magdeburg. Hier ist die Lotto-Chefin selbst Mitglied des Aufsichtsrats (Handball Magdeburg GmbH). Sieb hatte die Partnerschaft persönlich vorangetrieben, was laut Rechnungshof gegen die geltenden Compliance-Vereinbarungen verstößt. Doch auch die Freigabe durch den Lotto-Aufsichtsrat wurde diesbezügliche kritisiert.

Maren Sieb hatte bis zuletzt alle Vorwürfe, die ursprünglich von der AfD-Landtagsfraktion ins Rollen gebracht wurden, abgestritten. Es wurde gar eine Gegenanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede angestrebt. Sieb erklärte, dass ihr Einfluss bei den Fördermitteln stark begrenzt sei, da alle Spenden über 15.000 Euro von einem 14-köpfigen Beirat genehmigt werden müssen. Auch Thomas Webel erteilte Sieb vorerst noch Zuspruch.

Wie geht es für Lotto Sachsen-Anhalt weiter?

Wie aus Medienberichten hervorgeht, hat inzwischen Marko Ehlebe, ein Beteiligungs-Manager des Finanzministeriums, die Geschäftsführung von Lotto Sachsen-Anhalt übernommen. In der den nächsten Tagen soll außerdem ein Personaldienstleister damit beginnen, nach passenden Kandidaten für die zukünftige Führungsriege zu suchen. Man wolle so schnell wie möglich passende Nachfolger finden, heißt es vonseiten des Aufsichtsrats.

Währenddessen arbeitet der Untersuchungsausschuss des Magdeburger Landtags weiter an der Aufarbeitung der Sachverhalte. Besonders das Personalwesen steht derweil im Fokus, insbesondere die Besetzung von sieben Bezirksleiterstellen. Diese sollen 2018 mit rund 1,5 Mio. Euro auf Provisionsbasis bezahlt worden sein. Dies, obwohl die Stellen nur über Facebook und auf der Lotto-Seite ausgeschrieben wurden, was einem qualitätsbewussten Handeln entgegensteht.

Laut Rechnungshof seien nur sieben bis zwölf Bewerbungen eingegangen. Zudem wurde das Bewerbungs- und Auswahlverfahren nicht hinreichend dokumentiert. Laut Lotto sollen die Dokumente aus Datenschutzgründen vernichtet worden sein. Es steht nun die Frage im Raum, ob verwandtschaftliche Beziehungen bei der Jobvergabe eine Rolle gespielt haben. Für diese sogenannten Seilschaften, konnten bisher jedoch keine Beweise gefunden werden.

Fördermittel auch in Thüringen Thema

Aufgrund der Debatte um Lotto Sachsen-Anhalt wird inzwischen auch in anderen Bundesländern mehr Transparenz bei Lotto gefordert. So bemängelte kürzlich der Thüringer Rechnungshof, die undurchsichtige Fördermittelvergabe. Alle Details für die Vergabe der Fördergelder werden im Thüringer Glücksspielgesetz geregelt, es gelten strenge Auflagen. Die Mittel dürfen ausnahmslos an kulturelle, soziale, umweltaktivistische oder sportliche Instanzen verteilt werden.

In Thüringen erhält der Landessportbund (LSB) jährlich rund 9,6 Mio. Euro und verteilt die Summe an seine Mitglieder, unter anderem an die Thüringer Sportfachverbände (4,8 Mio. Euro) sowie 1.972 Thüringer Sportvereine. Außerdem fließen rund 2,7 Mio. Euro in den Nachwuchssport, die Trainerfinanzierung und die Sportmedizin. Allerdings fehlen genaue Infos darüber, wofür die Gelder letztlich wirklich ausgegeben werden. Die Entwicklungen bleiben abzuwarten.

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