Tricks bei Westspiel-Privatisierung?

Die SPD hat eine Sondersitzung des nordrhein-westfälischen Haushalts- und Finanzausschusses beantragt. Im Zuge der geplanten Westspiel-Privatisierung soll es zu einer Reihe von Bilanztricks gekommen sein, um den Verkauf der staatseigenen Spielbanken zu beschleunigen. Seit längerem kritisiert die SPD, dass die Landesregierung die Privatisierungspläne mit Hochdruck vorantreibt. Auch die Mitarbeiter demonstrieren. Mit welchen Entwicklungen ist zu rechnen?

Ein Casino-Dealer sortiert Spielchips am Roulettetisch.

Rund 1.000 Westspiel-Mitarbeiter fordern seit Monaten Standort- und Jobgarantien. ©whekevi/Pixabay

Hat Düsseldorf Zahlen bewusst verzerrt?

Eine Sonderkommission des nordrhein-westfälischen Landtags wird sich heute (10.07.) mit den, laut SPD, verdächtigen Bilanztricks zur Erleichterung der Privatisierung der Westspiel-Casinos befassen. Ins Rollen gebracht hat die Diskussion ein kürzlich erschienener Bericht von Der Spiegel. Unter anderem sollen die Pensionsrückstellungen nach oben geschraubt worden sein. Darüber hinaus stellen sich Fragen in Bezug auf eine Landesbürgschaft für Schalke 04.

Stefan Zimkeit, finanzpolitischer Sprecher der SPD im Landtag NRW, behauptete, dass die regierende Schwarz-Gelbe Koalition, bestehend aus CDU und FDP, den Verkauf von Westspiel um jeden Preis durchsetzen will. Obendrein hätten Untersuchungen ergeben, dass deshalb sogar eine Verzerrung von Zahlen stattgefunden haben soll, um das Unternehmen als eine attraktivere Investition für private Glücksspielunternehmer erscheinen zu lassen.

Trotz monatelanger Kritik der SPD und der Demonstration von Westspiel-Mitarbeitern wurde die Privatisierung des bis dato landeseigenen Unternehmens im Juni diesen Jahres endgültig beschlossen. Die Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses biete laut SPD nun die Gelegenheit die Sachlage neu aufzurollen und grundlegende Fragen zu klären.

Ein wichtiges Thema ist laut Zimkeit die Landesbürgschaft für Schalke 04. Es müsse parlamentarisch geklärt werden, ob die Landesregierung Millionenrisiken übernehmen will, um dem Bundesligisten unter die Arme zu greifen. Man wolle erfahren, welches finanzielle Risiko für die Allgemeinheit besteht und bitte um Auskunft über den aktuellen Stand und darüber, um welches Bürgschaftsprogramm es sich handeln soll.

Westspiel erzielte 27 Prozent Zuwachs

Westspiel hat seine Zahlen für das Jahr 2019 noch nicht vollständig veröffentlicht, dennoch heißt es im Nachhaltigkeitsbericht 2019, dass die Spielbanken im vergangenen Jahr Bruttoeinnahmen in Höhe von 136,8 Mio. Euro erzielt haben, was einen Anstieg von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr markiert. Westspiel zahlte 2019 außerdem 65,8 Millionen Euro an Steuern, ein Plus von 30,6 Prozent gegenüber 2018.

Westspiel betreibt derzeitig sechs Spielbanken, davon vier in Nordrhein-Westfalen, in Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund und Duisburg, wobei die letzte Spielstätte über eine Tochtergesellschaft betrieben wird. Außerdem betreibt das Unternehmen zwei Spielbanken in der Freien Hansestadt Bremen. Zwei weitere Standorte können nach dem neuen Gesetz vom künftigen privaten Eigentümer des Unternehmens errichtet werden.

Laut Medienberichten ist Merkur-Inhaber Paul Gauselmann zurzeit der wahrscheinlichste Nachfolger für Westspiel. Der 85-jährige Glücksspielmagnat ist in Düsseldorf gut vernetzt, seit 2018 fungiert er in der Landeshauptstadt als offizieller Hauptsponsor des Sportsektors.

Disput zwischen den Parteien

Angeblich defizitäre Wirtschaftsleistungen werden von Düsseldorf als Hauptgrund für die Privatisierung angegeben. Finanzminister Lutz Lienenkämper hatte Westspiel in der Vergangenheit schon häufiger Misswirtschaft vorgeworfen und sprach von einem katastrophal geführten Unternehmen. Ausschlaggebend war ein negativer Finanzbericht aus 2016. Obwohl Westspiel in den Jahren darauf wieder zulegte, hält die Landesregierung weiter an ihren Plänen fest.

SPD und Grüne fordern daher seit längerem eine Aussetzung der Verkaufspläne. Die Lage spitzte sich in der Corona-Krise weiter zu, da befürchtet wurde, der Lockdown könnte die Regierung dazu bewegen, die Pläne zum Verkauf weiter zu befeuern. Da die Zahlen trotz Corona positiv aussehen, erklärte Monika Düker, Fraktionschefin der Grünen, dass überhaupt keine Dringlichkeit in einer Privatisierung bestehe.

Aufgrund vieler ungeklärter Fragen wolle man auf eine ordentliche Verhandlung mit entsprechenden Experten beharren, was auch von der SPD vertreten wird. Die Sozialdemokraten hatten der Landesregierung ebenfalls vorgeworfen, einen zu hohen Zeitdruck in Bezug auf die Privatisierung auszuüben. Die schwarz-gelbe Koalition wolle ihre Entscheidung schnellstmöglich durchs Parlament jagen, so die Vorwürfe von Zimkeit.

Auf dem Rücken der Mitarbeiter

Das Fiasko um den Verkauf von Westspiel geht vor allem zulasten von rund 1.000 Mitarbeitern, die seit längerem um ihre Jobs kämpfen. Croupiers, Kassierer, Techniker, Servicemitarbeiter und Verwaltungsangestellte wehren sich vehement gegen den Verkauf des Unternehmens. Kritisiert wird, dass sowohl das Management als auch die Regierung keine langfristigen Arbeitsplatzgarantien ausstellt. Berechtigte Interessen würden nicht ernst genommen.

Stattdessen fordere die Geschäftsführung inzwischen sogar zweieinhalb Stunden Mehrarbeit pro Woche sowie einen Verzicht auf den regulären Kündigungsschutz. Schon seit 2015 sei es außerdem zu keinen Gehaltserhöhungen mehr gekommen. Neben der Angst vor dem Jobverlust wird auch mit dem Spielerschutz argumentiert. Dieser würde in privaten Casinos nicht so ernst genommen wie in staatlichen. Die Entwicklungen bleiben abzuwarten.

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