Hamburg plant weitgehende Einschränkungen bei Wettbüros

Die Freie und Hansestadt Hamburg diskutiert dieser Tage die Neuordnung ihres Glücksspielwesens. Am 11.10.2017 befasst sich die Bürgerschaft, das Landesparlament, mit dem geänderten Glücksspielstaatsvertrag (GlüÄndStV) sowie dem zugehörigen Ausführungsgesetz. Besonders für Wettbüros könnten strengere Auflagen erlassen werden.

Wettbüros im Stadtbild

Ein solches Bild soll vermieden werden. Die Stadt Hamburg plant Mindestabstände zwischen Wettbüros. (Bildquelle)

Spielhallen werden bereits bundesweit durch die Vorschriften des GlüÄndStV eingeschränkt, Mindestabstände und andere Regelungen haben zu zahllosen Schließungsverfügungen geführt – und zu ebenso vielen Klagen. Ein vergleichbares Chaos ist nun, zumindest im Stadtstaat Hamburg, auch im Bereich der Wettbüros zu befürchten. Denn auf Initiative des Hamburgischen Senats befasst sich die Bürgerschaft mit einem Gesetz, das ganz ähnliche Beschränkungen auf die Wettbüros ausweiten würde. Wer seine Spielhalle also zu einem Wettbüro umfunktioniert hat, dürfte ein böses Erwachen erleben.

Der einprägsame Name des Rechtstextes (PDF) lautet Hamburger Glücksspieländerungsstaatsvertrag-Ausführungsgesetz (HmbGlüÄndStVAG). Dieses regelt die konkrete Umsetzung des Staatsvertrages innerhalb des Landesrechts. Konkret sieht die Vorlage Mindestabstände von 500 Metern zwischen zwei Wettvermittlungsstellen sowie zu Jugendeinrichtungen vor. Der Betrieb in Wohnvierteln wird komplett untersagt. Weiterhin dürfen sich Wettbüros auch nicht in einem „baulichen Verbund“ mit einer Spielhalle befinden, letztere dürfen auch keine Terminals zur Wettannahme mehr aufstellen. Diese Vorgaben sind im Wesentlichen identisch zu denen im Spielhallenbereich.

Aufenthalt soll weniger attraktiv werden

Hinzu kommen allerdings weitere tiefgreifende Betriebsvorschriften. So sind Sperrzeiten von 5.00 Uhr und 12.00 Uhr vorgesehen. Pro zwölf Quadratmeter Fläche darf nur noch ein Terminal platziert werden, insgesamt nicht mehr als acht Geräte. Daneben wird ein ausnahmsloses Rauchverbot erlassen und der Ausschank alkoholischer Getränke verboten. Auch sonstige Speisen und Getränke für den Verzehr vor Ort sollen nicht mehr angeboten werden dürfen. Davon dürften vor allem Sportsbars betroffen sein, die nicht selten einige Terminals zur Wettabgabe bereithalten. Ebenfalls wird das Aufstellen von Spiel- sowie Geldautomaten untersagt. Zur Überprüfung der Vorschriften erhält die Stadt im Gesetz das Recht, unangemeldete und anonyme Vor-Ort-Besuche durchzuführen.

Zwar ist bislang noch nicht bekannt, ob und wie viele Wettbüros bei Erlass des Gesetzes schließen müssten, doch der Verband der Automatenwirtschaft geht von erheblichem Widerstand seitens der Betreiber aus. Viel Vorbereitungszeit haben diese allerdings nicht. Das Gesetz soll bereits zum 1.1.2018 Inkrafttreten, sofern das Parlament es bis dahin beschließt. Alle Wettannahmestellen müssen sich zudem um eine neue Lizenz bewerben, die Frist für die Konzessionierung läuft bis zum 31.04.2018.

Die Rolle des Staates

Das Land Hamburg plant die neuen Vorschriften zulasten der Privatwirtschaft vor allem unter der Maßgabe des Spieler- und Jugendschutzes. Doch das Spannungsverhältnis zwischen Land und privaten Anbietern geht tiefer. Die Hansestadt ist mit Lotto Hamburg selbst am Markt aktiv, denn die Lottomarke Oddset vertreibt selbst Sportwetten. Und Oddset dürfte von den neuen Vorschriften profitieren, denn ihre Annahmestellen befinden sich zumeist nicht in Wettbüros, sondern in Kiosken und ähnlichen Betrieben. Und diese werden im neuen Gesetz explizit ausgeklammert, da der Wettvertrieb nur eine Nebenrolle spiele. Sie dürfen allerdings keine Live-Wetten vertreiben.

Dennoch: Wenn die Privatanbieter ausgedünnt werden und auch der Aufenthalt weniger attraktiv wird, dürfte das den staatlichen Annahmestellen zu Gute kommen. Weiterhin haben auch die neuen Wettlizenzen ohnehin nur einen provisorischen Charakter. Das Gesetz spricht von einer „Experimentierphase“ bis 2021, nach welcher durchaus auch eine Rückkehr zum staatlichen Monopol für Sportwetten folgen könnte. Es mache also Sinn, die Lottoannahmestellen mindestens bis dahin auch für Wettannahmen zu nutzen.

Haben Sie schonmal vom Internet gehört?

Die Hauptkritik am Hamburger Vorhaben muss sich allerdings an anderer Stelle entzünden: Auf dem digitalen Auge ist die Politik weiterhin erstaunlich blind. Man schaue sich nur die Gesetzesbegründung zum 500 Meter Mindestabstand an:

Die Spielerin oder der Spieler soll sich nach dem Verlassen der Wettvermittlungsstelle so weit von ihrer Atmosphäre gelöst haben, dass ein selbstständiger, neuer Entschluss zum Betreten einer weiteren Wettvermittlungsstelle erforderlich ist. Ein Abstand von 500 Metern ist dabei ausreichend und angemessen […].Begründungstext zum HmbGlüÄndStVAG

Hiergegen könnte man vielerlei Einwände erheben, drei sollten aber zunächst genügen: Erstens könnte sich der Wettwillige einfach umdrehen und in das Wettbüro zurückkehren – es wäre uns neu, dass man für jede Wette ein frisches Büro benötigen würde. Zweitens lässt sich auch eine Strecke von 500 Metern zumindest in Großstädten zügig und überwiegend sitzend bewältigen. Drittens kann jeder eine Vielzahl von Wettvermittlungsstellen in seiner Hosentasche mit sich führen.

Schon heute nutzt ein großer Teil der Kundschaft sein Smartphone, insbesondere für Live-Wetten. Das HmbGlüÄndStVAG dürfte diesen Trend nur weiter verstärken. Der Fokus auf physische Wettlokale als Ziele zunehmender Regulierung erscheint im Jahr 2017 gelinde gesagt unangebracht. Dass der Hamburger Senat diese Problematik in seiner Vorlage weitestgehend ausklammert, spricht Bände.

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