UK: Psychische Schäden durch Wettanbieter?

Um die mutmaßlich massiven Verstöße der Wett-Anbieter Bet365, Coral und Hill während der Fußball-WM 2018 zu bewerten, plant die britische Werbeaufsicht ASA (Advertising Standards Authority) eine psychologische Schadensuntersuchung hinsichtlich des Werbematerials vorzunehmen.

Dass das Marketing-Material der britischen Buchmacher-Riesen vor einem explizit psychologischen Hintergrund bewertet werden soll, macht Sinn, denn die Mehrheit der im besagten Zeitraum (14.06.18 bis 15.07.18) eingegangen Beschwerden enthielten Hinweise auf „psychologische Tricks“, um „unverantwortliches Glücksspiel“ zu fördern. Insgesamt wurden innerhalb von nur vier WM-Wochen über 115 Beschwerden gegen die Betreiber eingereicht. Zum Vergleich: Im Monat davor waren es 27.

Des Weiteren kreisten viele der Beschwerden um das potentielle Risiko von Glücksspielwerbung für Kinder und Jugendliche, worin das außergewöhnliche ‚Ermittlungsverfahren’ der ASA zusätzlich begründet liegt. Hier bestehe der Verdacht, dass die Werbesendungen eine große Anzahl junger Zuschauer erreicht hätten – dass Sportereignisse wie die WM in Russland, eine große Anzahl junger Menschen vor den Bildschirm lockt, sei bekannt. In wie fern sich die TV-Spots tatsächlich auch an diese richteten, soll die Untersuchung klären.

Laut ASA ist die Ausstrahlung von Glücksspiel-Werbespots im Hinblick auf Kinder- und Jugend-TV verboten, die Regeln beziehen sich dabei jedoch nur auf Kinder-Programme, bestimmte Sendungen und Uhrzeiten – ob und wie weit die Richtlinien auch auf Sport-Events zutreffen, sei bis dato noch unklar, heißt es. Nichtsdestotrotz würden die bisherigen Regeln generell den Schutz Kinder und Jugendlicher implizieren. Ein ASA-Sprecher hierzu im Wortlaut:

„Die Regeln für Glücksspielwerbung betonen bereits den Schutz junger und gefährdeter Personen vor potenziellen Schäden.“

Zum Verständnis: Im Vereinigten Königreich ist die Übertragung von glücksspielbezogener Werbung vor 21 Uhr eigentlich verboten, wobei eine Ausnahme für Live-Sportveranstaltungen gilt. Laut britischer Fachpresse sollen 17 Prozent aller Werbeunterbrechungen während des WM-Monats glücksspielbezogene Inhalte aufgewiesen haben. Wie die Universität Sheffield am Beispiel der britischen Sendergemeinschaft ITV ermittelte, betrug die Gesamtdauer der Glücksspiel-Anzeigen hier über 80 Minuten, die der normalen Anzeigen hingegen nur etwa 60 Minuten.

Demzufolge standen im WM-Verlauf 172 von unter dem Strich 1.300 separaten Anzeigen im Kontext von Sportwetten. Der Großteil der Spots wurde laut ASA von den drei besagten Anbietern geschaltet. Während der Londoner Traditionsbuchmacher William Hill und Weltmarktführer Bet365 bereits Anfang Juli ins Fadenkreuz der Aufsichtsbehörde geraten sind, blinkt indessen jetzt auch die GVC-Wettmarke Ladbrokes Coral auf dem Radar. Die Londoner Tageszeitung The Guardian hatte den Anbietern im Vorfeld vorgeworfen, eine glücksspielbezogene „Sättigung der Werbung“ zu befördern.

Das Gefühl der Dringlichkeit

Viele der während des Fußballturniers ausgestrahlten Reklamen bewarben demnach Live-Wetten, die die Zuschauer – womöglich auch Kinder und Jugendliche – zum schnellen Handeln animieren sollten: „Bet Now!“ (Jetzt Wetten!), so das Kredo, um sich hohe Erfolgschancen auf eine Wette zu sichern. Hierdurch sei ein „falsches Gefühl der Dringlichkeit“ erzeugt worden, so der ASA-Sprecher. Prinzipiell seien Live-Wetten zwar nicht verboten, doch sind derartige Formulierungen nach dem ASA-Werbekodex – laut Kategorie „Impulsivität und Dringlichkeit“ – nur unter Einhaltung des Jugendschutzes tragbar und im Rahmen von Live-Sportereignissen deshalb zu vermeiden. Wortwörtlich heißt es:

„Unsere Anfang 2018 eingeführten neuen Richtlinien schränken Glücksspielanzeigen ein, die ein unangemessenes Gefühl der Dringlichkeit erzeugen und zwingt Glücksspielwerbung zudem, mehr Details über Problemspiel und Suchtverhalten preiszugeben. Wir prüfen derzeit mehrere Anzeigen, die während der WM erschienen sind, um festzustellen in weit hier sanktionierende Maßnahmen erforderlich sind.“

Forscher fordern Verbot

Eine Studie der University of Warwick empfiehlt unterdessen das vollständige Verbot aller Glücksspielanzeigen, die gegen die Regeln der ASA im WM-Kontext verstoßen haben. Angesichts der „Live-Wetten-Verwirrung“, die so außergewöhnlich viele Beschwerden aus der Öffentlichkeit nach sich zog, zeigte sich die Expertengruppe besonders besorgt. Infolge wurden die besagten Wettangebote von den Akademikern genauer untersucht, mit dem Fazit:

„Glücksspielwerbung sollte mit anderen Arten von suchterzeugenden oder gesundheitsgefährdenden Produkten wie Zigarettenpackungen konsistent sein – indem sie klar-identifizierbare Gesundheitswarnungen enthält. Der Wortlaut von Glücksspielanzeigen ist ein Problem, weil Wörter wie ‚Gewinn‘ und ‚Spaß‘ eher betont werden, als ‚Schaden‘ – was die Vorstellung von Glücksspiel als Freizeitbeschäftigung und nicht als Suchthandlung normalisiert.“

Ob es im Anschluss an die geplante psychologische Untersuchung zu einer Sanktionierung der drei großen Wett-Betreiber – Ladbrokes Coral, Bet365 und William Hill – kommen wird, bleibt vorerst noch abzuwarten. Ebenso ob die Debatte womöglich eine Verschärfung der Richtlinien in punkto Live-Wetten zur Folge hat. Die Buchmacher-Kette Ladbrokes Coral steht darüber hinaus nicht zum ersten Mal wegen vermeintlich „kinderfreundlicher Werbung“ unter dem ASA-Hammer: Schon Mitte Juni wurden in diesem Kontext drei Anzeigen des Anbieters aufgrund massiver Beschwerden gesperrt.

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