EuGH rügt Ungarns Glücksspielrecht

Welche Maßnahmen darf ein EU-Mitgliedsland gegen Online Casinos ohne lokale Lizenz ergreifen? Geldstrafen gehen jedenfalls zu weit – so das Urteil des Europäischen Gerichtshof zu einem Verfahren in Ungarn. Und auch die Lizenzvergabe darf ausländische Unternehmen nicht benachteiligen.

Sitzungssaal des EuGH

Wer in die Dienstleistungsfreiheit eingreift, ist engen Grenzen unterworfen, sagen die Richter am EuGH. (Bildquelle)

Das Ende Februar veröffentlichte Urteil des EuGH geht auf einen Streitfall in Ungarn aus dem Jahr 2016 zurück. Die ungarische Steuerbehörde hatte der britischen Firma Sporting Odds Ltd. eine Geldstrafe in Höhe von knapp 11.000 € auferlegt. Begründung: Sporting Odds habe über seine Webseite hu.sportingbeteuro.com Sportwetten auf dem ungarischen Markt angeboten, ohne über die dafür nötige Lizenz zu verfügen. Das Unternehmen widersprach dieser Entscheidung mit Hinweis auf eine bestehende britische Lizenz und die europäische Dienstleistungsfreiheit, der Fall landete vor dem Verwaltungsgericht in Budapest.

In Ungarn gilt ein „zweiteiliges“ Glücksspielrecht. Im Bereich der Lotterien und Sportwetten besteht ein staatliches Monopol. Online Casino Spiele wiederum dürfen auch von Unternehmen angeboten werden, sofern sie über die Lizenz für ein Casino auf ungarischem Territorium verfügen.

Zur Klärung der Frage, inwieweit diese nationale Rechtslage mit den Europäischen Grundfreiheiten in Einklang zu bringen ist, wandten sich die ungarischen Richter an ihre Kollegen am Europäischen Gerichtshof. Konkret ging es dabei um die Auslegung des Artikel 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser verbietet im Grundsatz die Beschränkung von Dienstleistungen zwischen Angehörigen der Union, würde also zunächst die Tätigkeit der britischen Sporting Odds Ltd. im EU-Mitgliedsland Ungarn erlauben.

Die Auffassung des EuGH

Zunächst stellte das Gericht fest, dass es im Bereich des Glücksspiels zwischen den Mitgliedstaaten signifikante Unterschiede in Bezug auf Moralvorstellungen, religiöse Vorschriften und kulturelle Bräuche gäbe. Es obliege daher grundsätzlich den Nationalstaaten und nicht der EU, das Glücksspiel entsprechend ihrer Wertevorstellungen zu regulieren. Das in Ungarn verwendete Modell, Teile des Marktes einem staatlichen Monopol zu überantworten und einen Teil zu liberalisieren, sei im Grundsatz nicht zu beanstanden. Das Land ist also nicht verpflichtet, die Vergabe von Lizenzen aus dem Online Casino Sektor auf den Bereich der Sportwetten auszuweiten.

Dennoch stellte das Gericht fest, dass das ungarische Monopol auf Sportwetten durchaus in die Dienstleistungsfreiheit europäischer Unternehmen eingreife. Um diese vom Markt fernzuhalten, müssten „mildestmögliche“ Mittel eingesetzt werden, um einen Ausgleich zu diesem Eingriff in die Grundfreiheiten zu schaffen. Darüber gehe die Geldstrafe gegen die Sporting Odds allerdings hinaus und müsse daher zurückgenommen werden.

Chancengleichheit über Grenzen hinweg

Das Gericht in Luxemburg hat sich in umfassender Weise zu den Fragen der ungarischen Richter geäußert. Unter anderem stellte man fest, dass eine Lizenz zum Betrieb eines lokalen Casinos nicht als Voraussetzung für entsprechende Internetangebote herangezogen werden dürfe. Hierin bestehe eine unzulässige Diskriminierung insbesondere ausländischer Online Anbieter, die im terrestrischen Geschäft nicht tätig sind und somit keine Aussicht auf den Erhalt einer Lizenz haben.

Ob und inwieweit Ungarn das Gesetz nun reformieren wird, ist derzeit noch unklar. Erste Reaktionen aus dem Land deuten eher darauf hin, dass man weiterhin versuchen wird, den Markt nach außen abzuschotten. Das Urteil des EuGH ist allerdings bindend, sodass zumindest die Geldstrafe aufgehoben werden dürfte.

Auswirkungen jenseits von Ungarn

Die neunseitige Urteilsbegründung ist nicht nur für den konkret verhandelten Fall von Bedeutung. Die Richter beziehen sich an etlichen Passagen auf vergangene EuGH-Urteile zum Thema Glücksspiel in Europa und schreiben selbst das bestehende Recht fort. Zukünftige Streitfälle dürften sich also daran orientieren. Den Mitgliedsstaaten wird zwar vergleichsweise viel Autonomie in dem Bereich zugestanden, doch grenzenlos sind diese Freiheiten nicht. Monopole sind nur dann vertretbar, wenn sie in geeigneter Weise nationale Aufgaben wie Suchtprävention und Verbraucherschutz unterstützen. Sie dürfen nicht genutzt werden, um mit starken Sanktionen gegen europäische Wettbewerber vorzugehen. Und auch einer Bevorzugung der jeweiligen heimischen Industrie erteilen die Richter eine Absage.

Kurioserweise wird dadurch die deutsche Passivität im Umgang mit Online Casinos in gewisser Weise bestätigt. Wir erinnern uns: Derzeit sind solche Angebote in Deutschland nicht genehmigungsfähig. Doch de facto geht der Staat nicht gegen die Seiten vor. Und er wäre wohl nach diesem Urteil gut beraten, auch weiterhin nicht einzuschreiten. Denn damit dürfte er die engen Grenzen, die dieser Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit mit sich bringt, sprengen und den Unmut der EU auf sich ziehen.

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