Niedersachsen: Demonstrationen gegen Spielhallenschließungen

Bundesweit treten die Änderungen des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Juli 2017 in Kraft. In Niedersachsen stehen dann rund die Hälfte der der knapp 2.000 Spielhallen vor dem Aus. Dabei gehen etwa 3.000 Arbeitsplätze verloren. Ein als willkürlich und zu hart kritisiertes Losverfahren entscheidet, welche Betriebe geschlossen werden müssen. Am 16. Mai demonstrierten nun Spielhallen Mitarbeiter in Hannover gegen die Schließungen. Auch im Landesparlament regt sich Widerstand gegen das aktuelle Vorgehen.

1.500 Mitarbeiter von Spielhallen in Niedersachsen demonstrieren in Hannover

Lauter Protest gegen das Losverfahren (Bildquelle: dpa/Holger Hollemann Demonstration von Spielhallenbeschäftigten)

Der Glücksspielstaatsvertrag vom 1. Juli 2012 sieht strenge Anforderungen an den Schutz vor Glücksspielsucht vor. Eine wichtige Maßnahme ist dabei die Einführung von Mindestabständen zu anderen Spielhallen und Einrichtungen, die hauptsächlich von Kindern und Jugendlichen frequentiert werden. Die Länder beschlossen in der Folge eigenständig die Ausführungsgesetze zur Umsetzung des Staatsvertrages. Hierbei entschieden die Länderparlamente auch die Mindestabstände. In Niedersachsen einigte man sich auf einen Mindestabstand von 100m, der zwischen einzelnen Spielhallen liegen muss. Zum Vergleich: In Bayern sind 250m und in Nordrhein-Westfalen sogar 350m Abstand vorgesehen. Trotz einer fünfjährigen Übergangsfrist haben die niedersächsischen Gesetzgeber es jedoch versäumt, objektive Kriterien zu finden, die über die Schließung oder den Erhalt einer Spielhalle entscheiden. In den letzten Monaten wurden daher in vielen Kommunen Losentscheide über die die Zukunft der Betriebe durchgeführt.

Die Kritik am als willkürlich empfundenen Losverfahren wächst

Wie unter anderem der NDR und die Hannoversche Allgemeine berichteten, haben 1.500 Spielhallen-Mitarbeiter vergangenen Dienstag in Hannover gegen dieses Vorgehen demonstriert. Unter dem Motto: „Erst Los, dann arbeitslos!“ kritisierten sie unter anderem die Nichtbeachtung von möglichen Härtefällen. Gerade in Niedersachsen wird die Härtefallregelung sehr streng ausgelegt – also Ausnahmen von der Gesetzesregelung selten genehmigt. Wie bereits von uns berichtet, sind auch die sogenannten Verbundspielhallen von den neuen Regelungen betroffen. Das Fehlen geeigneter objektiver Kriterien, die über die Betriebserlaubnis einer Spielhalle entscheiden, erhitzt ebenfalls die Gemüter. Während das Losverfahren von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies als objektiv verteidigt wird, fühlt es sich für die Betroffenen verständlicherweise sehr willkürlich an. Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts in Osnabrück könnte dabei den Mitarbeitern Hoffnung geben. Das Gericht hat am 17. Mai Klagen von vier Glücksspielbetreibern teilweise stattgegeben. Nach Ansicht des Richters gibt es zwar keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Mehrfachkonzessionsverbots und des Mindestabstandsgebots für Spielhallen, aber das Auswahlverfahren per Losentscheid sei nicht ordnungsgemäß gewesen. In der Presseinformation zum Urteil hieß es dazu:

Vielmehr hätte sie [die Stadt Osnabück, Anm. d. Red.] sachliche Auswahlkriterien – wie beispielsweise die persönliche Zuverlässigkeit der Spielhallenbetreiber, deren Vertrauensschutz, das Alter der Bestandsspielhallen, die örtliche Lage der Spielhallen in Bezug auf von Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen, die Qualität des Sozialkonzepts, die wirtschaftliche Bedeutung der Schließung für die Spielhallenbetreiber und die bestmögliche Ausschöpfung der Gebietskapazität – im Einzelfall prüfen müssen.

Nur wenn sich Betreiber nach der Prüfung dieser Sachkriterien als gleichwertig erweisen sollten, hätte man demnach ein Losverfahren durchführen dürfen. Bis die Stadt Osnabrück die Sachkriterien nicht hinreichend geprüft hat, dürfen die Spielhallen nicht geschlossen werden. Die Ablehnungsbescheide der glücksspielrechtlichen Erlaubnisse wurden entsprechend vom Gericht wieder aufgehoben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sondern kann noch vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden. Dies ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Klagen, die bundesweit gegen die Umsetzung der Mindestabstandsregelung verhandelt werden. Unter diesen Eindrücken haben Adrian Mohr und Reinhold Hilbers von der CDU im Landtag eine mündliche Anfrage eingereicht. Die Landesregierung soll dazu Stellung beziehen, ob die Gesetzesänderungen vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheiten tatsächlich vollzogen werden. Es wird sich zeigen, ob das Parlament nun vielleicht gezwungen ist, über die gesamte Problematik noch einmal zu debattieren.

Für die 3.000 betroffenen Spielhallen Mitarbeiter, von denen einige nun in Hannover auf die Straße gingen, bedeutet das Hin und Her auf allen Ebenen weiterhin Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft.

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