Mögliche Wettmanipulationen in der Bundesliga

Eine Studie der Universität Bielefeld zeigt ungewöhnliche Wettmuster bei einigen Bundesligaspielen der letzten Jahre auf. Die Untersuchung bezieht sich auf die Spielzeiten von 2010/2011 bis 2014/2015 und fand in Kooperation mit den US-Universitäten Pennsylvania und West Virginia statt. Spiele unter der Leitung von drei namentlich nicht genannten Schiedsrichtern weisen dabei überdurchschnittlich hohe Wetteinsätze auf.

Schiedsrichter im Fussball

Drei Schiedsrichter der Bundesliga könnten in einen Wettskandal verwickelt sein.

Die Wissenschaftler verglichen die Einsatzhöhen beim britischen Buchmacher Betfair auf die Anzahl der erzielten Tore bei 1251 Begegnungen in der Bundesliga. Konkret ging es um Über/Unter-Wetten, also ob in einer Partie mehr oder weniger als 2,5 Tore erzielt werden. Für den Ausgang einer solchen Wette ist es unerheblich, welche Mannschaft gewinnt oder welche Seite die Tore erzielt, es zählt nur die Gesamtzahl der Treffer.

Dass bei den Spielen der drei Schiedsrichter ungewöhnlich viel gewettet wurde, muss dabei nicht zwingend auf eine Manipulation hinweisen. Zunächst handelt es sich lediglich um eine ungewöhnliche Abweichung in der Statistik. Die Studie (PDF – englisch) belegt dabei, dass unter Leitung dreier Schiedsrichter überdurchschnittlich viele Tore fallen und auch mehr gewettet wird als üblich. Mögliche Störfaktoren einer solchen Statistik wie wichtige Derbyspiele, bei denen aus anderen Gründen mehr gewettet wird, werden dabei herausgefiltert.

Das sich ergebende Bild deckt sich mit bekannten Mustern bereits nachgewiesener Fälle des Wettbetrugs im amerikanischen Profi Basketball. Es sind allerdings auch andere Erklärungen möglich. So äußern sich die Autoren der Studie ausdrücklich vorsichtig zu den Ergebnissen ihrer Arbeit. Im Gespräch mit dem WDR erklärt der Mitautor und Sportökonom Prof. Dr. Christian Deutscher die Aussagekraft der Studie:

Der Rückschluss ist nicht möglich, dass man sagt, das ist definitiv Wettbetrug oder Wettbetrug würde hier vorliegen. Aber man beobachtet statistische Eigenschaften, die man auch erwarten würde, falls es Wettbetrug gäbe“ Prof. Dr. Christian Deutscher, Universität Bielefeld

Die DFL, Veranstalterin der Bundesliga, sieht bisher keine Verdachtsmomente und verweist auf ihre eigenen Sicherheitsmaßnahmen: Die DFL arbeite seit 2007 als Reaktion auf den Fall Robert Hoyzer mit den Experten von Sportradar zusammen. Deren Alarmsysteme hätten in dem untersuchten Zeitraum nicht angeschlagen.

Dieses Argument ist wenig überzeugend, da es sich nicht inhaltlich mit der Studie auseinandersetzt. Es bleibt also denkbar, dass die Wissenschaftler besser analysiert haben als die Liga selbst. Es gibt allerdings tatsächlich mögliche Ursachen außer Betrug für das Ergebnis der Studie.

Eine mögliche Erklärung könnte darin bestehen, dass die Schiedsrichter einfach einen eigenen Stil der Spielleitung ausüben. So ist es Schiedsrichtern möglich, die Regeln besonders strikt auszulegen und viele Situationen abzupfeifen. Der weniger flüssige Spielverlauf ermöglicht daher möglicherweise weniger Torchancen. Umgekehrt wäre es auch möglich, dass sie besonders viel durchgehen lassen und beispielsweise bei Abseitsfragen eher zugunsten des Angreifers entscheiden, sodass mehr Tore fallen als im Durchschnitt.

Wer sich also ausgiebig mit Sportwetten beschäftigt und entsprechend umfangreiche Daten sammelt, kann dieses Muster erkennen und entsprechend höhere Einsätze platzieren. Die Schiedsrichter wären sich ihrer Rolle nicht bewusst, da solche Unterschiede erst bei der Analyse einer Vielzahl von Spielen sichtbar werden. Eine Wettmanipulation hätte in diesem Fall nicht stattgefunden, da niemand absichtlich das Ergebnis verändert hätte. Im Grunde obläge es in diesem Fall den Buchmachern, dasselbe Muster zu erkennen und die Quoten bei diesen Schiedsrichtern auf Über/Unter-Wetten entsprechend anzupassen.

Das Problem der Über/Unter-Wetten auf 2,5 Tore

Bei der Lektüre der Studie wird klar, warum gerade diese Wettart anfällig für Manipulationen ist: Im Durchschnitt fielen bei den untersuchten Spielen 2,92 Tore pro Spiel. In 44% der Fälle waren es 2 oder weniger, in 56% drei oder mehr Treffer. Es sind also beinahe gleich viele Spiele „unter 2,5“ und „über 2,5“. Dadurch sind vergleichsweise geringfügige und damit unauffällige Maßnahmen nötig, um eine Verschiebung zu erreichen. Eine solche Manipulation müsste auch nicht zum Nachteil nur einer Mannschaft ausfallen. Durch die Vergabe von Elfmetern an beide Seiten lässt sich die Anzahl der Tore beispielsweise einfach und sogar scheinbar gerecht erhöhen.

Angenommen Team A führt bereits mit 2:0 gegen Team B. Der Schiedsrichter könnte nun eine Gelegenheit nutzen, Team A einen Elfmeter zuzusprechen und damit das Ergebnis von „Unter 2,5“ auf „Über 2,5“ zu beeinflussen. Am groben Spielergebnis würde sich nicht viel ändern, der Strafstoß würde nicht besonders interessant sein. Auch wenn der Schütze scheitert, könnte der Spielleiter Team B einen Elfmeter zusprechen – sofern die Situation dies glaubwürdig ermöglicht. Dem Beobachter käme ein solche Vorgehensweise womöglich sogar als ausgleichende Gerechtigkeit vor – denn das Vorgehen erscheint besonders unparteiisch.

Gerade hierin liegt die Unauffälligkeit solchen Wettbetrugs, da keine Seite bevorzugt werden muss. Wer versucht ein Spiel zu einem ganz bestimmten Endstand zu steuern oder eine Mannschaft gewinnen zu lassen, geht ein erheblich höheres Entdeckungsrisiko ein.

Dennoch ist durch die Studie zunächst einmal noch nichts bewiesen. Um den Nachweis einer Manipulation zu führen benötige man immer noch Zeugen, sagte auch der Sachverständige Dr. Markus Knasmüller im Gespräch mit dem WDR. Die Vorwürfe stünden aber eindeutig im Raum und bedürften der näheren Untersuchung.

Für Knasmüller spricht allerdings „nur sehr wenig gegen Wettbetrug“ und auch „Zufall könne man ausschließen“. Ob sich hieraus allerdings auch ein strafrechtlicher Anfangsverdacht ergäbe und die Staatsanwaltschaft aktiv werden müsste, vermochte der Experte nicht zu sagen. Ob die durch die Studie erbrachten Indizien dafür also ausreichen, wird sich noch herausstellen.

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