Kritik an Glücksspiel-Studien des Gesundheitsministeriums: Wie verlässlich sind die Daten zur Spielsucht in Deutschland?

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat Ende 2023 davon berichtet, dass die Anzahl der Spielsüchtigen in Deutschland in kurzer Zeit stark angestiegen sei. Experten kritisieren schon seit längerem die Güte der Studienergebnisse. Aus der Opposition gebe es sogar ernsthafte Vorwürfe bezüglich der Vorgehensweise des Ministeriums.

Pressefoto von Karl Lauterbach

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat für die Studienvergabe seines Ministeriums im Glücksspielbereich Kritik geerntet. © Bundesministerium für Gesundheit

Unklare Datenlage nach Wechsel des Forschungsauftrages

Bis 2019 sei die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für die Erstellung des alle zwei Jahre erscheinenden Glücksspiel-Survey zuständig gewesen, wie das Fachmagazin games & business erläutert.

Inzwischen liege der Forschungsauftrag beim Hamburger Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und der Universität Bremen. Auch die Forschungsarbeiten für den Glücksspiel-Atlas, ein weiteres durch das BMG beauftragtes Studienpapier, lägen in der Hand der Hamburger und Bremer Forscher, die dafür ohne Teilnahme an einer Ausschreibung direkt den Auftrag erhalten hätten.

Für Aufsehen habe die Kernaussage der Studie gesorgt, dass sich der Anteil der Menschen mit problematischem Spielverhalten, welches als Vorstufe einer Glücksspielsucht angesehen werde, von 0,7 Prozent auf rund 8 Prozent erhöht haben soll.

Mögliche Argumente für diesen deutlichen Anstieg habe es nicht gegeben. Auch eine transparente Einsicht in die Daten sei nicht möglich, wie die WELT-Autorin Elke Bodderas in einem Videobeitrag kritisiert.

Schwerer Vorwurf aus der Opposition

Die Suchtexpertin Simone Borchardt, die für die CDU-Fraktion im Bundestag sitzt, habe aktiv die Neutralität der Forschenden infrage gestellt:

Der Verdacht liegt nahe, dass hier schon im Vornherein Absprachen zwischen Studienerstellern und dem BMG getroffen wurden. Das lässt für mich erhebliche Zweifel an der Neutralität der Studie aufkommen. Simone Borchardt (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages, Quelle: games & business

Borchardt sehe im aktuellen Fall Parallelen zur Vergabe einer Studie zur Evaluierung der Maßnahmen in der Corona-Pandemie, welche die Arbeit des BMG rückwirkend für gut befunden habe. Sie bezeichnete diese Praktik als “bildgebend” für die aktuelle Gesundheitspolitik des BMG rund um Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Was könnte die unterschiedlichen Ergebnisse erklären?

Bereits im vergangenen Jahr habe die Statistikerin Katharina Schüller in einem 140-seitigen Gutachten auf methodische Mängel der jüngsten Erhebung hingewiesen.

Ein Hauptkritikpunkt sei dabei die mangelnde Repräsentativität gewesen, die durch ein unpassendes Sampling verhindert worden sei. Zudem habe es Fehler bei der Datenerhebung und -auswertung gegeben.

Grundsätzlich lasse das Design der Studie keine Trendanalysen zu, sondern es handle sich um eine komplett neue Datengrundlage, die nicht mit den Ergebnissen der BZgA zu vergleichen sei. Auf diesen Umstand habe auch der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) verwiesen.

Politische Entscheidungen auf unzureichender Datenbasis?

Elke Bodderas habe davor gewarnt, dass politische Entscheidungen, wie ein mögliches Werbeverbot für Glücksspiele oder weitere Einschränkungen der Branche, nicht auf einer unklaren Datenbasis erfolgen sollten.

Derzeit könne nur darüber spekuliert werden, ob das BMG opportune Forschungspolitik betreibe, wie es Simone Borchardt unterstellt, oder ob sich die Zahlen tatsächlich stark erhöht haben, was gegebenenfalls politische Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

In jedem Fall erscheint es sinnvoll, die Forschungsaktivitäten im Glücksspielbereich weiter zu verstärken. Laut Angabe der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) würden sich mehr als zehn deutsche Institute derzeit mit Glücksspielforschung auseinandersetzen.

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