Deutschland legt neuen Glücksspielstaatsvertrag vor

Deutschland hat der Europäischen Kommission einen dritten modifizierten Glücksspielstaatsvertrag zur Prüfung vorgelegt. Das Dokument enthält insbesondere Vorschläge zur Einführung eines Lizenzsystems für Sportwettanbieter. Sollte die EU-Kommission dem Vertrag zustimmen, könnte eine Inkraftsetzung schon Anfang Januar nächsten Jahres erfolgen.

Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel.

Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel, wo die EU-Kommission den neuen Glücksspielstaatsvertrag prüfen soll.

Überarbeitung der Vorschriften bis 2021

In Deutschland obliegt die Regulierung des Glücksspielmarktes bekannterweise den einzelnen Bundesländern. Zur Vereinheitlichung der einzelnen Gesetzgebungen haben die 16 Ministerpräsidenten der Bundesrepublik jetzt einen dritten überarbeiteten Glücksspielstaatsvertrag bei der EU-Kommission in Brüssel zwecks Prüfung eingereicht. Das Dokument enthält Regulierungskonzepte, die es europäischen Betreibern ermöglichen sollen, offizielle Sportwett-Lizenzen auf dem deutschen Markt zu beantragen, wobei das Bundesland Schleswig-Holstein sein eigenes liberales Lizenzierungssystem beibehalten darf.

Ein neues Lizenzverfahren zum Übergang soll demnach ab dem 1. Januar 2020 in Kraft treten und bis zum 30. Juni 2021 gültig sein. Das Verfahren fungiert an dieser Stelle als Blaupause, innerhalb der Periode sollen die nationalen Glücksspielvorschriften vollständig überarbeitet werden. Zu den wichtigsten Merkmalen des Vertrags gehört die Aufhebung einer Beschränkung auf lediglich 20 Lizenzen. Die Überarbeitung soll folglich zur Öffnung des Marktes beitragen.

Zum Verständnis: Auf die Umsätze aller lizenzierten Betreiber, soll weiterhin eine Steuer in Höhe von fünf Prozent erhoben werden. Nach wie vor bilden Sportwetten hier die einzige offiziell erlaubte Vertikale, lediglich In-Play-Wetten bleiben verboten. Zudem sehen die Regelungen vor, dass Verbraucher pro Monat maximal 1.000 € für Wetten ausgeben dürfen.

Sollte die Europäische Kommission dem Vorschlägen der Bundesländer zustimmen, könnte Deutschland den überabeiteten Genehmigungsprozess noch innerhalb dieses Jahres beginnen. Es wird jedoch erwartet, dass die Kommission ihre Entscheidung erst nach Ablauf einer dreimonatigen Stillhaltefrist bestätigen wird.

Testmarkt Schleswig-Holstein

Wie auf der Berliner Konferenz der Ministerpräsidenten im März beschlossen wurde, darf das Bundesland Schleswig-Holstein sein eigenes liberales Regulierungsmodell noch bis 2021 fortsetzen. Das Land hatte sein Lizenzierungssystem erstmals im Jahr 2011 ohne Beschränkungen des Sektors eingeführt. Zu einer ersten Anwendung des Konzepts kam es im Februar 2012, vergeben wurden hier eine Reihe von Lizenzen, die noch bis zum 30. Juni 2021 laufen. In Schleswig-Holstein gilt darüber hinaus ein Steuersatz von 20 Prozent auf Sportwett-Einnahmen.

Im Rahmen der bundesweiten Neuerung avanciert Schleswig-Holstein nun offiziell zum deutschen Testmarkt für ein liberaleres Regulierungsmodell, das folglich ab 2021 auf den Rest des Landes ausgeweitet werden könnte. Als Speerspitze soll an dieser Stelle das Bundesland Hessen dienen – ein liberalisiertes Lizenzierungsverfahren für Sportwetten wird hier demnach bereits nach dem Sommer 2019 in Kraft gesetzt. Dass Hans-Jörn Arp, Fraktionsvorsitzender der Christlich-Demokratischen Union in Schleswig-Holstein, die Pläne als „Durchbruch“ erachtet, verwundet kaum. Zur vorangingen Stellung des Bundeslandes heißt es in diesem Sinne:

“Die Entscheidung der Minister bedeutet, dass wir nach zehn Jahren endlich den Durchbruch erreicht haben und von den anderen Bundesländern Anerkennung erhalten. Nachdem Schleswig-Holsteins zukunftsweisenden Lösungen im Bereich des Glücksspiels lange Zeit Widerstand entgegengebracht wurde, ist dies für uns ein großer Erfolg. Plötzlich ziehen die anderen Bundesländer in die gleiche Richtung und zeigen damit, dass das Schleswig-Holstein-Modell sinnvoll ist.”

Laut Dr. Wulf Hambach von der führenden deutschen Anwaltskanzlei Hambach & Hambach ist davon auszugehen, dass in der Tat alle staatlichen Parlamente der Bundesrepublik den Staatsvertrag bis Ende des Jahres förmlich ratifizieren werden. Außerdem prognostiziert der Jurist in aktuellen Medienberichten den Zuspruch der EU-Kommission und sagt eine einheitliches deutsches Regulierungssystem voraus. Im Wortlaut heißt es:

“Ich denke, es wird nach 2021 einen vollständig regulierten deutschen Markt geben, was einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet. Es gibt bereits viele Diskussionen zwischen den Ländern und ich denke, dass diese Gespräche fruchtbar sind. In den letzten zwei oder drei Jahren hat es nie wirklich ernsthafte Diskussionen über wichtige Reformen zur Glücksspielregulierung gegeben. Zum ersten Mal hat es jetzt den Anschein, dass ein großer Schritt nach vorne gemacht wurde.”

Kritik vom deutschen Sportwettverband

Für die geplanten Regulierungsmaßnahmen werden die Minister der BRD derweil durch den deutschen Sportwettverband kritisiert. Präsident Mathias Dahms bezeichnete die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrages als einen „ungenügenden ersten Schritt“ zur Regulierung. Dahms Fokus liegt an dieser Stelle auf einer angeblich unzureichenden Absicherung des Online Sektors. Die Beschränkungen des Vertrags seien demnach „hinter verschlossenen Türen“ besprochen worden und ignorieren die „Wünsche der Kunden“. Dahms sieht folglich einen weiterhin unkontrollierten Online Markt, im Zitat heißt es:

“Die dritte Änderung des Glücksspielstaatsvertrags ist nur eine vorübergehende Maßnahme für eine kurze Übergangszeit. Sie löst keine strukturellen Defizite. In Deutschland gibt es einen starken Sportwettmarkt, die Kunden haben klare Erwartungen an ihr Sportwett-Produkt. Wenn Staaten die sozialen Gegebenheiten und die Kundennachfrage vollständig ignorieren, laufen sie Gefahr, mit ihrer Regulierung erneut zu versagen. Unattraktive Bedingungen drohen die Lizenzangebote in Deutschland im Vergleich zum Schwarzmarkt zu marginalisieren.”

Dahms fordert die Länder der Bundesrepublik abschließend dazu auf „die Verhandlungen dringend fortzusetzen“. Eine Modernisierung des gesamten deutschen Glücksspielrechts sei demnach erforderlich, um einen Strom hin zu nicht-lizenzierten Anbietern zu verhindern.

Zur langfristigen Absicherung des Marktes sei ein „gründlicher und transparenter Prozess zur Entwicklung neuer Vorschriften“ von entscheidender Bedeutung. Akteure aus Industrie und Sport müssen folglich zugegen sein mit in die Diskussion integriert werden. In der Tat hat eine letzte öffentliche Anhörung der Industrie zuletzt im Mai 2010 stattgefunden. Die zukünftigen Entwicklungen bleiben vorerst mit Spannung abzuwarten.

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