WSOP passt Regeln gegen Zeitspiel an

Um die Spielgeschwindigkeit zu erhöhen hat die World Series of Poker (WSOP) für die anstehende Turnierserie eine Regeländerung bekanntgegeben. Es wird nun für Spieler und die Turnierleitung schneller und einfacher sein ein regelwidriges Zeitspiel zu unterbinden. Dennoch soll es weiterhin einen situationsbedingten Ermessensspielraum für die Tischaufseher bei der Pokerweltmeisterschaft geben.

Wir kennen es alle: 77 Minute im Fußballspitzenspiel. Es steht 1:0 und ein Spieler der führenden Mannschaft liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht nach einem Zweikampf am Boden. Die Zeitlupe kann den Körperkontakt zwar nicht eindeutig aufklären, aber es sieht trotzdem zunächst danach aus, als ob die herbeieilenden Mannschaftsärzte nur noch ihr Bestes tun können, um wenigstens die Schmerzen zu lindern. Ob der Spieler je wieder laufen wird? Doch dann die Wunderheilung dank einer Eisspray-Behandlung. Nach einigen unrunden Schritten mit zusammengekniffenen Lippen kann der tapfere Profi tatsächlich weiterspielen. Ein wenig Spucken und bereits im nächsten Spielzug sprintet er sogar wieder wie als wäre nichts gewesen. Pokerturniere werden meistens nicht in kompletter Länge übertragen. Auch wenn es viele Pokerfans daher nicht unbedingt mitbekommen, ist bei Pokerturnieren Zeitspiel durchaus üblich. Vor kurzem hat die Caesars Entertainment Corporation, die die Pokerweltmeisterschaft ausrichtet, eine Regeländerung bekanntgegeben, die ein solches Verhalten in Zukunft effektiver einschränken soll.

Das Zeitspiel ist im Poker ein wachsendes Problem

Die im englischen „Stalling“ genannte Verschleppung des Spieltempos ist gerade dann, wenn die Preisränge in Sichtweite sind, zu beobachten. Insbesondere die Spieler mit kleineren Stacks lassen sich dann natürlich bewusst Zeit, um möglichst noch in die Gewinnzone zu rutschen. Selbstverständlich versuchen die Teilnehmer mit größeren Stacks in dieser Zeit ebenfalls kein unnötiges Risiko mehr einzugehen, damit sie nicht ohne Preisgeld nach Hause fahren müssen. In der Folge sinken das Tempo und die Spielbereitschaft in dieser Phase deutlich. Das Stalling ist außerdem ein taktisches Mittel, dass einige Spieler bewusst einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Große Turniere wie das WSOP Main Event mit mehreren tausend Teilnehmern sind ohnehin schon mehrere Tage lang und daher eine körperliche und mentale Belastung für die Teilnehmer. Ein Spieler, der nun bewusst langsam spielt, kann die Gegner unter Umständen zu einem Tilt treiben. Einige Gegner reagieren möglicherweise zunehmend gereizt durch das provozierende Verhalten eines Spielers und begehen in der Folge Fehler. Wenn sich das Turnier in die Länge zieht und das Spieltempo stockt, lässt vielleicht auch die Aufmerksamkeit und Konzentration bei einigen Spielern merklich nach.

Das Main Event der WSOP hat mehrere tausend Teilnehmer

Das WSOP Main Event hat inzwischen mehrere Tausend Teilnehmer

Das bewusste Stalling hat laut der WSOP zuletzt zugenommen. Sinnbildlich steht dafür vielleicht das kontroverse Verhalten des englischen Pokerprofis William Kassouf beim Main Event im vergangenen Jahr. Er spielte damals bewusst langsam und provozierte verbal seine Kontrahenten. Wiederholt wurde er von zunehmend genervten Turnierteilnehmern aufgefordert sein Spiel zu beschleunigen. Auch der Turnierdirektor Jack Effel wurde hinzugerufen, um Konflikte zu entschärfen. Kassouf wurde für sein Verhalten in einer Situation schließlich mit einer Strafe belegt. Als er nach wiederholten Mahnungen des Turnierdirektors Effel seinen Gegner weiterhin provozierte und Zeit verstreichen ließ, musste er ein paar Runden aussetzen bevor er wieder am Tisch Platz nehmen durfte. Aber die veränderte Regel hatte vermutlich nicht nur die Fairness und das Wohlbefinden der Spieler im Sinn. Es soll vielleicht auch verhindert werden, dass sich einige Persönlichkeiten etwas zu sehr “selbst vermarkten”. Darüber hinaus war die sehr wichtige Optimierung des Spielflusses für die Übertragungen im Fernsehen bestimmt auch ein nicht zu unterschätzender Faktor für diese Entscheidung.

Die angepasste Zeitspiel-Regel für das WSOP Event 2017

Nachdem bereits andere Turnierveranstalter ihre Regeln in Bezug auf das Zeitspiel angepasst haben, hat nun auch die WSOP nachgezogen. Zum Vergleich der Änderungen habe ich jeweils den ersten Teil der Regeln für euch übersetzt:

Calling-for-clock: Sobald ein angemessener Zeitraum gewährt wurde, also nicht weniger als zwei Minuten, und ein Zeitlimit gefordert wurde, werden einem Teilnehmer 50 Sekunden gegeben, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn diese 50 Sekunden verstrichen sind und keine Handlung erfolgte, wird ein zehn Sekunden langer Countdown heruntergezählt und im Anschluss eine Meldung [des Tischaufsehers] abgegeben oder ein Alarmsignal ertönt. Wenn ein Teilnehmer nicht vor dem Alarmsignal oder der Meldung gehandelt hat, wird seine Hand für tot erklärt.

Die Probleme mit der alten Regelung liegen unter anderem in der Begrifflichkeit des „angemessenen Zeitraums“ und den festgelegten zwei Minuten. Selbstverständlich kann ein Spieler je nach Spielsituation viel Zeit brauchen um eine Entscheidung zu treffen. Daher die Formulierung „angemessen“. Aber wenn es bei einem Spieler häufig auffällig lange dauert bis er handelt, gibt es mit dieser Regelformulierung Probleme. Zunächst müssen mindestens die zwei Minuten verstreichen, dann muss ein Tischaufseher gerufen werden und anschließend gibt es nochmal zusammengerechnet eine Minute Bedenkzeit für den Spieler. Diese insgesamt mindestens drei Minuten können sehr lang werden, wenn man bereits seit Stunden am Tisch sitzt und es um einige tausend Dollar Preisgeld geht. Die neue Regelung versucht einen Kopmromiss aus Härte gegen Stalling und angemessener Bedenkzeit zu finden:

Calling-for-clock: Sobald ein angemessener Zeitraum gewährt wurde und ein Zeitlimit gefordert wurde, liegt es im freien Ermessen der Tischaufseher, ob sie dem Teilnehmer eine zusätzliche Bedenkzeit zwischen 0 und 30 Sekunden geben. Sollte nach der Aufforderung des Aufsehers keine Handlung erfolgt sein, wird ein zehn Sekunden langer Countdown heruntergezählt und im Anschluss eine Meldung [des Tischaufsehers] abgegeben oder ein Alarmsignal ertönt. Wenn ein Teilnehmer nicht vor dem Alarmsignal oder der Meldung gehandelt hat, wird seine Hand für tot erklärt.

Die neuformulierte Regelung hat zwei große Vorteile. Es entfallen die festgelegten zwei Minuten und die gewährte Bedenkzeit wurde ebenfalls gekürzt. Viel wichtiger ist aber, dass die Turnierleitung in Person des Tischaufsehers nun wesentlich flexibler reagieren kann. Es liegt nun in seinem Ermessen, ob der Forderung eines Spielers nach einem Zeitlimit nachgekommen wird und wie lang die folgende Bedenkzeit ist. Sie kann unter Umständen nur den 10 Sekunden langen Countdown betragen. So kann er viel besser auf bewusst langsam spielende Teilnehmer reagieren. Wenn also jemand bei einer wichtigen Entscheidung Zeit braucht und ein Spieler am Tisch die “Clock called”, dann kann der Aufseher selbst entscheiden, ob ein Zeitlimit gegeben wird. So ist gewährleistet, dass ein Spieler, der sich normalerweise nicht so viel Zeit nimmt, in einer wichtigen Situation nicht zu sehr unter Zeitdruck gesetzt wird.

Und es gibt noch einen weiteren neuen Aspekt, der nicht in dieser Regel steht. Die Tischaufseher können ebenso nach eigenem Ermessen entscheiden, ob und wann sie ein Zeitlimit geben. Sie brauchen nicht mehr auf die Anfrage eines Spielers zu warten. Die Turnierleitung ist nun also deutlich einflussreicher als zuvor. Es ist so möglich gegen wiederholt negativ auffallende Teilnehmer aktiver vorzugehen.

Was könnte diese Regel in Zukunft bewirken?

Das Beispiel des Fußballspielers zeigt schon ein wenig das Dilemma, dass ein verschärftes Zeitlimit mit sich bringt. Einerseits ist das vortäuschen einer Verletzung, um Zeit von der Uhr zu nehmen unsportlich, andererseits sollte die Gesundheit des Spielers im Vordergrund stehen. Außerdem ist ein solches Verhalten selbstverständlich auch clever und wird so sicherlich von allen Mannschaften angewendet. Es gilt also das Prinzip der sich ausgleichenden Gerechtigkeit. Beim Poker ist es ebenfalls letztlich clever, die anderen Spieler zu provozieren. Nicht wenige sind der Meinung, dass Kassoufs Verhalten im letzten Jahr vollkommen legitim war. Die anderen Spieler müssen eben gefestigt genug sein, um seinen Provokationen standzuhalten, wenn sie sich Pokerweltmeister werden wollen. Poker ist doch gerade so beliebt, weil es ein psychologisches Spiel ist, bei dem versucht wird in den Kopf des Gegners hineinzukommen. Trash Talk und Stalling sind dafür gut geeignet. Es wird von einigen daher als schwach angesehen, sich von der Turnierleitung helfen zu lassen. Und egal, ob man einen Spieler wie Kassouf nun mag oder nicht, unterhaltsam sind solche Kontroversen ohne Zweifel. Und wenn man nun der WSOP vorwirft, dass sie das Turnier nur für das Fernsehen straffen möchten, dann sollten sie vielleicht eine Sache bedenken: Niemand will Spielern dabei zuschauen, wie sie schweigend im Kreis sitzen und emotionslos Karten spielen. Und kann man ausschließen, dass nun die Tischaufseher – vielleicht sogar ohne es selbst zu merken – das Spiel mit ihrer neuen Freiheit aufgrund von persönlichen Sympathien beeinflussen?

Wir werden sehen…

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