Wirtschaftskrise: Spielsuchtgefahr steigt durch Inflation

Lebensverändernde Gewinne erhoffen sich viele Menschen, die Glücksspiele konsumieren. Es ist ein Mittel, schnell an mehr Geld zu kommen als mit der regulären Arbeit, das besonders in Krisenzeiten eine magische Anziehungskraft entwickeln kann. Das suggeriert zumindest die oft als problematisch kritisierte Glücksspielwerbung. In der Realität kann es ganz anders aussehen.

In einem Geldbeutel stecken mehrere Kreditkarten.

Mit zunehmenden Schwierigkeiten steigt die Hoffnung auf den einen großen Gewinn. ©stevepb/Pixabay

Das ist die aktuelle Lage

Die Inflation steigt immer weiter an und die Energiepreise sowie die Lebensunterhaltskosten schnellen in die Höhe. Was jetzt zu sehen ist, ist vermutlich auch erst die Spitze des Eisbergs. Gleichzeitig fährt die Glücksspielbranche immer höhere Gewinne ein. Fraglich ist dabei, wie diese zustande kommen. Denn es besteht die Gefahr, dass Spielende immer höhere Summen einsetzen oder in höherer Frequenz spielen, um ihre Verluste durch die steigende Inflation und die steigenden Kosten auszugleichen.

Beim Bundesverband Selbsthilfe Glücksspielsucht angefragt

Das IPPEN MEDIA Netzwerk hat beim Bundesverband Selbsthilfe Glücksspielsucht nachgefragt. Die Antwort war klar: Je unsicherer die Zeiten, desto mehr hofften Spielende auf den einen großen Gewinn, der sie von ihren finanziellen Sorgen und Problemen befreien kann. Dadurch werden auch jene Menschen zum Spielen verleitet, die damit vorher nicht in diesem Maße in Berührung gekommen waren. Für diejenigen darunter, die ohnehin suchtanfällig seien, sei dies doppelt riskant. Vom Bundesverband heißt es:

“Die steigende Sorge von vielen Menschen, ihren Lebensunterhalt durch die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise nicht mehr schultern zu können, birgt eine sehr große Gefahr.”

Alle Spielenden sind anders

Jeder Spieler und jede Spielerin agieren jedoch individuell. Wer ohnehin viel und aktiv spielt, den scheinen die steigenden Lebensunterhaltskosten inmitten der Wirtschaftskrise nicht im gleichen Maße zu beeinflussen. Die Gefahr ist also für diejenigen größer, die noch nicht häufig Sportwetten abgegeben oder Lotto gespielt haben und diejenigen mit pathologischem Spielverhalten, da diese im Vorfeld keine Sucht entwickelt hatten. Die Inflation birgt allerdings die Gefahr, dass mehr Menschen eine Spielsucht neu entwickeln, getrieben von den finanziellen und sozialen Sorgen.

“Sich vergrößernde Sorgen, speziell in finanzieller Hinsicht, haben uns allesamt während unserer ‚aktiven‘ Zeit nicht davon abgehalten, weiter spielen zu gehen. Egal, ob die Inflation zu dem Zeitpunkt gerade niedrig oder wie jetzt galoppierend ausgeprägt war.”Tobias Nobis, Stellvertretender Vorsitzender des Vereins, Zeitungsbericht

Es fehlt an Studienergebnissen

In der Glücksspielbranche und der korrespondierenden Literatur fehlt es an verlässlichen Studienergebnissen, die die Auswirkungen von Rezession und Wirtschaftskrise auf das Spielverhalten von Glücksspielenden. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2012 von Horváth und Paap weist darauf hin, dass eine schwierige wirtschaftliche Lage zu einer geringeren Beteiligung an Casino Games, aber zu steigenden Lotterieumsätzen führe. Auch andere Ergebnisse weisen in dieselbe Richtung. Tobias Hayer, Glücksspielforscher der Universität Bremen, äußert sich wie folgt:

“Diejenigen, die über finanzielle Schwierigkeiten aufgrund der Rezession berichteten, kauften mit größerer Wahrscheinlichkeit eher Lotto- oder Rubbellose als diejenigen, die nicht von der Krise betroffen waren. Offenbar wirken die in Aussicht gestellten Millionengewinne beim Lotto in derartigen Krisenzeiten noch verlockender als ohnehin schon.”

Über den Horizont hinausblicken

Bei der Beurteilung der Lage ist es jedoch auch wichtig, über den Horizont hinauszublicken. In der Coronapandemie, also einer anderen Krisenzeit, erzielten deutsche Lotterien höhere Umsätze, wie am Beispiel von Lotto Hessen deutlich wird. Auch die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar könnte dazu führen, dass mehr Menschen sich für Sportwetten interessieren und diese abschließen, sodass hier auch trotz der Inflation die Anbieter höhere Einnahmen erzielen könnten, insbesondere in der Winterzeit.

Spielsucht hat weitreichende Folgen

Wer unter einer Spielsucht leidet, wird dramatische Folgen in seiner Lebenswelt erleben. Die schleichende Abwärtsspirale ist ein Teufelskreis, der immer wieder zu tragischen Lebensverläufen führt. Doch das Beratungsnetzwerk zur Spielsuchthilfe, das in Krisenzeiten dringender gebraucht wird denn je, verzögert sich noch bis ins Jahr 2023, weil eine Änderung der Förderrichtlinien notwendig ist. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ressourcen zur Unterstützung bei vorliegender Spielsucht nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

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