Paradise Papers: Echte Enthüllungen oder Sturm im Wasserglas?

Wieder einmal bestimmen geleakte Dokumente die Schlagzeilen. Die sogenannten Paradise Papers, Dokumente einer Anwaltskanzlei von der Isle of Man, geben Einblick in Offshore-Geschäfte wohlhabender Personen und großer Unternehmen. Auch das Online Glücksspiel in Deutschland gerät durch die Veröffentlichungen ins Zwielicht. Aber enthalten die Daten überhaupt neue Erkenntnisse?

Mann umgeben von umherfliegenden Papieren

Die Panama Papers decken fragwürdige Methoden der Steuervermeidung auf. Doch in Sachen Glücksspiel bieten sie wenig Neues. (Bildquelle)

Die Paradise Papers sind das Ergebnis einer aufwendigen Recherche des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), genau wie die inhaltlich ähnlichen im April 2016 veröffentlichten Panama Papers. Grundlage bilden erneut vertrauliche Dokumente, diesmal mehrere Millionen Dateien der Anwaltskanzlei Appleby von der Isle of Man. Über die genaue Art der Informationsbeschaffung ist nicht viel mehr bekannt, als dass es sich um ein „Datenleck“ handeln soll. Die Dokumente belegen, wie Appleby im Dienste internationaler Konzerne und vermögender Privatpersonen bei der Vermeidung von Steuerpflichten assistiert hat.

Die in Deutschland in der Sache federführenden Medien von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung enthüllen fortlaufend weitere Ergebnisse ihrer Recherchen. Davon ist auch das hiesige Online Glücksspiel betroffen – unter anderem fallen die Namen einiger deutscher Banken sowie der Firma Gauselmann, bekannt für ihre Merkur Spielautomaten. Letztere „stecke mit drin“ im illegalen Onlinespiel, die Banken würden das Geschäft „systematisch unterstützen“. Im Fall von Gauselmann beruhen die Vorwürfe auf Unterlagen, die eine Zusammenarbeit der Firma mit der Kanzlei Appleby bei der Gründung der Tochterfirma Edict Egaming IoM Limited belegen. Über diese Firma soll Gauselmann Onlineversionen ihrer Spiele vertrieben und so den „Einstieg in die illegalen Online Casinos“ gefunden haben, wie es die tagesschau formuliert.

Neu sind diese Erkenntnisse nicht

Was hier wie eine Enthüllung präsentiert wird, ist allerdings lange bekannt. Gauselmann hat Edict Egaming 2008 von der staatlichen Hamburger Spielbank gekauft, und zwar genau zum Zweck der Digitalisierung ihrer Spiele. Diese lassen sich seit Jahren in zahlreichen Onlinecasinos spielen. Das Problem besteht eher in der vereinfachten medialen Darstellung der Zusammenhänge. Nämlich der Behauptung, dass diese Aktivitäten und Onlinecasinos insgesamt illegal seien. Zwar kann man in Deutschland keine entsprechende Konzession erhalten und weicht deswegen auf Drittstaaten aus. Doch die Rechtslage ist weitaus komplizierter. Denn die Casinos haben im Regelfall gültige europäische Lizenzen und berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU. Weiterhin ist Gauselmann selbst nicht als Betreiber der Spiele tätig. Die Firma verkauft Lizenzen ihrer Spiele an andere Unternehmen und ist so lediglich indirekt beteiligt. Der Vorwurf, die Firma „stecke mit drin“, ist insoweit vielleicht begründet, dürfte rechtlich allerdings kaum eine Rolle spielen. Vor allem aber ist das Online Engagement einer Spielautomatenfirma wie Gauselmann in keiner Weise überraschend.

Insbesondere weil die deutschen Behörden über diese Tätigkeiten seitens Gauselmann informiert sind und keinen Handlungsbedarf sehen, wie die Firma in einer Stellungnahme betont. Nun ist Untätigkeit der Behörden noch kein Hinweis auf Legalität, dennoch deutet sie einerseits die Komplexität der Materie an und sollte andererseits die Aufmerksamkeit der Medien auf eben diesen Fakt lenken. Es bleibt der Eindruck, dass hier etwas künstlich zum Skandal aufgebauscht werden soll, was Branchenkennern und Behörden seit Jahren bekannt ist. Ähnlich verhält es sich im Falle der Banken. Die Enthüllungsjournalisten hatten stichprobenartig Einzahlungen bei Onlinecasinos vorgenommen und fielen aus allen Wolken: Es funktionierte, und zwar über deutsche Geldinstitute. Daraus leiten die Autoren eine Unterstützung ab, die noch dazu „systematisch“ erfolge.

Das Problem liegt beim Staat

Auch hier richten sich die Vorwürfe an die falsche Adresse. Denn die Banken wissen schlicht nicht, welche Glücksspielanbieter legal sind und welche nicht. Manche Buchmacher und Casinos haben noch alte Lizenzen aus Schleswig-Holstein, viele haben gar keine deutsche Konzession und etliche stecken noch im seit Jahren stockenden Vergabeverfahren. Einige bieten auch mehrere unterschiedliche Spielformen an, zum Beispiel erlaubnisfähige, aber nicht erlaubte, Sportwetten und dazu die umstrittenen Casinospiele.

Vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen würden Anbieter aber ohnehin nur auf Vorgabe der Bankenaufsicht (BaFin). Eine solche ist aber nicht erfolgt. Das Institut verweist wiederum auf Nachfrage an die zuständigen Länder, denen die Glücksspielaufsicht obliegt. Man warte seit Jahren auf eine Liste der legalen Anbieter, um gesetzeskonform agieren zu können. Der NDR hat sich daher an das Innenministerium Niedersachsen gewandt und Auskunft über eine solche Liste erbeten. Die Behörde erklärte, eine solche gäbe es nicht und es werde auch nicht an einer gearbeitet.

Paradise Papers zeigen nur Symptome

Darin liegt das Problem des deutschen Online Glücksspiels. Der Staat, vertreten durch die Länder, ist nicht in der Lage eine kohärente Gesetzgebung vorzulegen. Es gibt zwar Erlaubnisse und Verbote, doch beides wird schlichtweg nicht umgesetzt. Die Folge ist ein chaotischer Zustand, der sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern schadet. Es fehlt an vernünftigem Verbraucherschutz für Onlinespieler, da man Verbotenes ja nicht zu regeln braucht.

Doch ein Bedarf an Glücksspielen, vor allem an digitalen, lässt sich nicht leugnen. Dass sich der Gesetzgeber dieser Realität standhaft verweigert führt erst zu dem Wildwuchs in der Branche, den die Journalisten nun aufgedeckt zu haben glauben. Die Erkenntnisse aus den Paradise Papers bezüglich des Onlinespiels weisen aber nur auf Symptome hin, sie mögen auch moralisch fragwürdiges Verhalten aufzeigen. Doch die dahinterstehende Krankheit heißt politische Untätigkeit.

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