Wenn Netflix den Nervenkitzel zeigt: Wie Serien und Filme unser Verhältnis zum Glücksspiel verändern
- Glücksspiel taucht immer häufiger in Film und Fernsehen auf.
- Ob in internationalen Produktionen oder im ZDF: Das Glücksspiel wird präsenter.
- Wie wirkt sich diese Entwicklung auf unser Verhältnis zum Glücksspiel aus?
- Wir haben mit Experten, Spielern und Produzenten gesprochen.

Bergen Glücksspielinhalte in Film und Fernsehen ein Risiko für die Zuschauer? © OnlineCasinosDeutschland.com/ChatGPT
Glücksspiel in Film und Fernsehen: 3 aktuelle Beispiele
Glücksspiel ist im Mainstream angekommen. Wenn ihr ins Kino geht, abends ins ZDF schaltet oder auf Netflix eine neue Serie sucht, dann kann euch Glücksspiel begegnen. Wir haben beobachtet, dass in letzter Zeit vermehrt Filme und Serien mit Glücksspielinhalten produziert worden sind.
Das wirft die Frage auf, welche Auswirkungen dies auf die Gesellschaft hat. Denn Glücksspiel wird in diesen Titeln nicht immer als riskant oder gefährlich dargestellt. Es wird teilweise als Lifestyle gezeigt oder romantisiert. Wird es vielleicht sogar normalisiert?
Um dies besser beurteilen zu können, haben wir drei aktuelle Beispiele für euch herausgesucht und schauen uns jetzt an, wie Glücksspiel in diesen Titeln behandelt wird.
Kinofilm: Ballad of a Small Player
Am 16. Oktober feierte der Film Ballad of a Small Player seine Premiere in ausgewählten Kinos in Deutschland. Regie führte Edward Berger (55), der unter anderem für die Filme Konklave und Im Westen nichts Neues bekannt ist. Die Hauptrolle in dem Film spielt Colin Farrell (49). An seiner Seite ist die oscarprämierte Tilda Swinton (65) zu sehen. Man könnte also durchaus von einer Star-Besetzung sprechen.
Worum geht es in Ballad of a Small Player? Lord Doyle, gespielt von Colin Farrell, musste nach einem Skandal von Großbritannien nach Macau flüchten und verfällt dort dem Glücksspiel. Er ist alkoholabhängig und hofft, sein Leben mit einem Gewinn am Baccarat-Tisch wieder in Ordnung bringen zu können.
Seine Ersparnisse schwinden und er verstrickt sich in Wetten. Zu seinen Alkoholproblemen gesellt sich schleichend eine Angststörung. Als er eine geheimnisvolle Frau kennenlernt, klammert er sich an sie und denkt, sie könne ihn retten. Als die Frau verschwindet, irrt Lord Doyle verzweifelt und erschöpft durch Macau und hat alles verloren.
Das Glücksspiel wird in dem Film also durchaus als brutal dargestellt. Die Hauptfigur wird immer verzweifelter und im Laufe des Films auch körperlich krank. Hier wird schonungslos dargestellt, wie das Glücksspiel Probleme nur noch verschlimmern kann. Ein Zuschauer schildert auf Reddit, wie ergreifend der Film ist:
Comment byu/steelangel5 from discussion inTheBigPicture
Übersetzung: Das habe ich mich auch gefragt. Ich weiß nicht, warum dieser Film so schlechte Kritiken bekommen hat. Ich fand Colin großartig! Man hat seinen Schmerz und seine Qualen während des gesamten Films wirklich gespürt. Sein Schwitzen, seine blutunterlaufenen Augen, wenn er sich mit Essen vollstopft. Er hat wirklich alles gegeben. Reillys Süchte und Dämonen wurden so gut dargestellt.
Andererseits tauchen die Zuschauer aber auch in die Welt von Glanz und Glamour in Macau ein. Der Film wurde in Macau und in Hongkong gedreht. Er zeigt Reichtum, pompöse Gebäude und irrsinnige Gewinne – aber auch die Schattenseiten.
Interessanter Fakt: Der Film hat in den Kinos eine Altersfreigabe von 12 Jahren. Somit war es auch Kindern möglich, in die Welt des Glücksspiels einzutauchen.
ZDF-Serie: High Stakes
Im September 2025 erschien im ZDF die Serie High Stakes. Sie kann in der ZDF Mediathek gestreamt werden und wurde zudem auf ZDFneo ausgestrahlt.
Die Hauptfigur Ayla hat Astrophysik studiert und träumt von einem Leben als Astronautin. Plötzlich bekommt sie das Angebot, ein Praktikum bei der NASA anzutreten. Innerhalb von sechs Wochen muss sie 22.500 € auftreiben, um das Praktikum finanzieren zu können.
Als Ayla zufällig sieht, wie in einem Hinterzimmer High Stakes Poker gespielt wird, beschließt sie, das Geld durch Glücksspiel auftreiben zu wollen. Ein Bekannter trainiert sie, sodass sie nach kurzer Zeit mit Poker-Profis am Tisch sitzt und um hohe Summen zockt.
Ayla ist strenge Muslimin und gerät bei den Poker-Runden immer wieder mit ihrem Gewissen und ihrem Glauben in Konflikt. Sie überschreitet Grenzen, die sie niemals überschreiten wollte. Laut den Autoren der Serie ist die zentrale Frage: „Wie weit würdest du gehen, um deine Träume zu verwirklichen?“
Im ZDF Presseportal ist ein Interview mit Hauptdarstellerin Via Jikeli (28) zu lesen. Auf die Frage, was sie über das Glücksspiel gelernt hat, hat sie eine knappe Antwort:
„Dass es Spaß macht. Und dass es sehr süchtig machen kann.”– Via Jikeli, Schauspielerin, ZDF Presseportal
Das Glücksspiel wird in der Serie also nicht romantisiert. Es wird vielmehr als Mittel dargestellt, um seine Ziele zu erreichen. Die Autoren vergleichen High Stakes mit der amerikanischen Erfolgsserie Breaking Bad. Die zentrale Frage in beiden Erzählungen: „Heiligt der Zweck die Mittel?“
High Stakes wurde vom Filmförderungsfonds Bayern gefördert und wurde als Beste Fernsehserie beim Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis nominiert. Die Serie ist ebenfalls FSK 12.
Weitere Hintergründe zu der Serie erfahrt ihr weiter unten in unserem Interview mit dem ZDF.
Netflix-Produktion: Bet
Im Mai 2025 erschien bei Netflix die Serie Bet. Sie spielt an einer Privatschule, die von Kindern aus Elite-Familien besucht wird. Diese messen sich jedoch nicht an ihren Noten, sondern in verschiedenen Glücksspielen. Wer verliert, sinkt im Ansehen und wird der Diener des Gewinners.
Der Hauptcharakter Yumeko ist neu an der Privatschule. Sie ist eine talentierte Spielerin und misst sich mit den besten Spielern der Schule.
In Bet bestimmt Glücksspiel über die Hierarchie an der Schule. Wer gewinnt, ist ganz oben. Wer verliert, wird zum Diener und muss erniedrigende Aufgaben erfüllen. Der Slogan der Serie lautet Life’s a Gamble.
Glücksspiel wird in der Serie als Mittel zur Macht dargestellt. Obwohl die Erzählung fiktiv ist, erhalten die Zuschauer einen Eindruck davon, was Glücksspiel mit dem Selbstvertrauen und dem Ansehen machen kann. Denn wer gewinnt, steht ganz oben.
Aktuelle Meldung: Netflix bestätigt neue Glücksspiel-Serie von Martin Scorsese
Erst vor wenigen Tagen hat Streaming-Riese Netflix bestätigt, dass eine neue Glücksspiel-Serie gedreht werden wird. Kultregisseur Martin Scorsese (83), der unter anderem für den Film Casino bekannt ist, wird die Serie produzieren.
Bisher ist bekannt, dass die Serie in Las Vegas spielen wird. Der Fokus soll auf der Casino-Branche und dem harten Kampf im Hintergrund liegen. Die Hauptfigur soll der Präsident eines der größten Casinos der Stadt sein und die Zuschauer werden verfolgen können, welche Strippen er im Hintergrund ziehen muss, um an der Spitze zu bleiben.
Wann die Serie erscheinen wird und welche Schauspieler daran beteiligt sind, ist noch nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass der Name Scorsese mit Sicherheit viele Zuschauer anziehen dürfte.
Wie präsent ist Glücksspiel in Filmen und Serien?
Um ein noch besseres Bild davon zu erhalten, wie präsent Glücksspiel tatsächlich in Filmen und Serien ist, haben wir uns nach konkreten Zahlen umgesehen. Tatsächlich gibt es zu Filmen und Serien mit Glücksspielinhalten aber keine Statistiken oder offiziellen Erhebungen. Das Thema scheint also in der Forschung noch nicht wirklich angekommen zu sein.
Wir haben deshalb unsere eigenen Recherchen durchgeführt und dafür die Plattform IMDB genauer untersucht. IMDB ist eine weltweit beliebte Online-Datenbank für Filme und Serien. Ihr findet dort Bewertungen und Hintergründe zu Produktionen aus der ganzen Welt.

Der Film ist vor allem mit glücksspielbezogenen Tags versehen. © IMDB
Dabei werden alle Titel mit bestimmten Suchbegriffen versehen. Wir haben uns den Eintrag zu The Ballad of a Small Player angeschaut und sind dabei auf einige interessante Tags gestoßen. Wir haben für euch ausgewertet, wie viele Titel auf IMDB mit diesen Tags versehen sind:
- gambling: 4.273x
- casino: 2.006x
- addiction: 1.509x
- Glücksspieler: 1.309x
- baccarat: 54x
- gamble: 190x
- Gesamt: 9.341x
IMDB soll laut Zahlen aus dem September dieses Jahres 727.132 Filme und 288.299 Serien in ihrer Datenbank haben. Das ergibt in der Summe 1.015.431 Titel.
Von diesen Titeln sind 9.341 mit einem Glücksspiel-Schlagwort versehen. Das bedeutet, dass von den Filmen und Serien auf IMDB rund 0,92 % einen Bezug zum Glücksspiel haben. Würden wir verwandte Tags wie Poker oder Poker Game einbeziehen, würden wir vermutlich bei etwa 1 % landen.
Das mag auf den ersten Blick nicht viel klingen. Behält man im Hinterkopf, dass es unzählige Genres und Tags gibt, scheint der Wert aber doch eine recht große Bedeutung zu haben.
Experteneinordnung durch die Universität Hohenheim – Forschungsstelle Glücksspiel
Um besser zu verstehen, welche Gefahr tatsächlich von Glücksspiel in Film und Fernsehen ausgeht, haben wir uns mit Johannes Singer in Verbindung gesetzt. Er ist in der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim tätig.

An der Universität Hohenheim beschäftigt sich eine Forschungsstelle mit dem Thema Glücksspiel. © Wikipedia
Der Fokus der Forschungsstelle liegt unter anderem auf problematischem Spielverhalten, Glücksspielwerbung mit Schwerpunkt soziale Medien und der Stigmatisierung von Glücksspielern und Glücksspielerinnen.
Herr Singer hat uns freundlicherweise einige Fragen für diesen Artikel beantwortet und uns geschildert, wie das Risiko von Glücksspielfimen und -serien seiner Meinung nach einzuschätzen ist.
1. Könnte es aus Ihrer Sicht einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Glücksspiel-Szenen und der Normalisierung von Glücksspiel geben?
Singer: „Aus anderen Bereichen, wie etwa dem Sport, ist bekannt, dass ein hohes Volumen an Glücksspielinhalten oder Glücksspielwerbung zur Normalisierung von Glücksspielen beiträgt. In diesem Zusammenhang werden Glücksspiele häufig mit positiven Emotionen wie Spaß oder Aufregung verknüpft. In Filmen werden Glücksspiele mitunter prunkvoll inszeniert, wie in James Bond: Casino Royale oder Ocean’s Eleven. Dies kann dazu führen, dass Glücksspiele als alltägliche und harmlose Freizeitaktivität wahrgenommen werden, obwohl sie ein suchtgefährdendes Produkt darstellen. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Exposition auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Personen positive Einstellungen gegenüber Glücksspielen entwickeln, diese ausprobieren möchten oder eine bereits bestehende Glücksspielaktivität intensivieren.“
2. Wie schätzen Sie die Gefahr von Glücksspielfilmen und -serien ein? Könnten sie im schlimmsten Fall sogar Rückfälle begünstigen?
Singer: „Es kommt dabei auch darauf an, wie Glücksspiele in Filmen und Serien dargestellt werden. Eine positive oder unkritische Darstellung kann zur Normalisierung beitragen, was vor allem vulnerable Personengruppen betrifft. Bei Kindern und Jugendlichen besteht das Risiko, dass sie frühzeitig Anreize oder positive Impulse in Bezug auf Glücksspiel entwickeln. Zudem sind Personen, die an einer glücksspielassoziierten Störung leiden, gefährdet. Einerseits kann sich ihr bestehendes Spielverhalten weiter verstärken, andererseits besteht die Gefahr eines Rückfalls, falls die betroffene Person abstinent ist.“
3. Wie schätzen Sie als Experte es ein, dass einige Glücksspiel-Titel ohne die Expertise von Forschern oder anderen Fachleuten produziert werden?
Singer: „Es ist generell wünschenswert, dass ExpertInnen hinzugezogen werden, sobald suchtgefährdende Produkte in Filmen und Serien dargestellt werden. Das Risiko besteht nicht nur in der Normalisierung und Exposition gegenüber Glücksspielinhalten, sondern auch in der Art und Weise, wie Glücksspiel präsentiert wird, was zu einer Stigmatisierung von glücksspielbezogenen Störungen führen kann. Oft werden Personen, die an Glücksspielen teilnehmen, als kompetent und selbstkontrolliert dargestellt. Dies kann den falschen Eindruck erwecken, bspw. dass Glücksspiele kontrollierbar oder glücksspielbezogene Störungen auf mangelnde Kompetenz oder Selbstkontrolle zurückzuführen seien. Es ist jedoch zu betonen, dass Glücksspiele überwiegend vom Zufall abhängen und nicht vom persönlichen Können. Ebenso sind glücksspielbezogene Störungen als anerkannte Suchterkrankung zu betrachten und nicht als moralisches Versagen der Betroffenen. Manche Glücksspiele sind bewusst darauf ausgelegt, Personen in einen Sog zu ziehen, was riskantes Spielverhalten begünstigt.“
4. Sollten Glücksspielfilme und -serien Ihrer Meinung nach um Warnhinweise oder sogar die Kontaktdaten von Beratungsstellen ergänzt werden?
Singer: „Beides ist wünschenswert. Es sollte deutlich erkennbar sein, dass Glücksspiele süchtig machen können und insbesondere gefährdete Personengruppen durch die Normalisierung und werbende Inhalte einem Risiko ausgesetzt sind. Kontaktdaten von Beratungsstellen, die offizielle Webseite der Landeskoordinierungsstellen Glücksspielsucht (www.buwei.de) sowie die kostenlose Hotline des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (https://www.bioeg.de/service/infotelefone/gluecksspielsucht) bieten eine direkte Anlaufstelle und ermöglichen Betroffenen oder Angehörigen einen ersten Kontakt zu Hilfsangeboten. Weitere Maßnahmen können darin bestehen, die Altersfreigabe für Filme und Serien mit Glücksspielinhalten zu erhöhen, um den Kontakt mit solchen Inhalten im frühen Kindesalter zu vermeiden. Ebenso könnten Disclaimer, die zu Beginn einer Serie gezeigt werden und auf gefährdende Inhalte hinweisen, zusätzlich in den entsprechenden Szenen eingeblendet werden, um eine positive oder unkritische Darstellung von beispielsweise Glücksspielen differenzierter einzuordnen.“
Was halten Spieler von Glücksspielfilmen und -serien?
Nachdem uns aufgefallen ist, dass in diesem Jahr viele Filme und Serien mit Glücksspielbezug veröffentlicht worden sind, hat uns auch die Meinung von Spielern interessiert. Schauen sie sich diese Inhalte gerne an? Und finden sie die Darstellung von Glücksspiel realistisch?
Wir haben auf Reddit einige interessante Antworten bekommen:
Comment byu/MiriamLovesSport94 from discussion ingambling
Übersetzung: Ehrlich gesagt liebe ich Filme zum Thema Glücksspiel, denn sie bieten eine Mischung aus Risiko, Spannung und Psychologie, die kaum zu übertreffen ist. Aber die meisten von ihnen romantisieren das Thema viel zu sehr. Man sieht selten die langweilige oder zerstörerische Seite der Spielsucht. Es geht immer um große Gewinne, schicke Anzüge und hochkarätige Dramen, während es in Wirklichkeit meist viel subtiler zugeht.
Comment byu/MiriamLovesSport94 from discussion ingambling
Übersetzung: Casino Royale war ziemlich solide, aber die meisten Bond-Glücksspielszenen dienen nur dazu, ihn cool aussehen zu lassen, lol. Echte Pokerspieler würden sich wahrscheinlich über die Hälfte seiner Spielzüge ärgern, aber es ist Bond, also was soll’s.
Spieler scheinen also Gefallen daran zu haben, Glücksspielfilme zu schauen. Sie fiebern mit den Protagonisten mit und feiern ihre Erfolge. Sie haben jedoch auch den Eindruck, dass Glücksspiel romantisiert wird. Die Spielverläufe und Gewinne haben in ihren Augen nichts mit realen Spielen zu tun.
Genau darin liegt die Gefahr. Denn unerfahrene Zuschauer könnten den Eindruck erhalten, dass auch sie ohne große Vorkenntnisse hohe Gewinne einfahren könnten. Wenn das Risiko nur groß genug ist, können sie viel Geld gewinnen und ein neues Leben beginnen.
Was in diesen Filmen suggeriert wird, hat jedoch nur in den seltensten Fällen einen Bezug zur Realität.
Beeinflussen solche Filme und Serien unser Spielverhalten? Interview mit einem Spieler
Die zentrale Frage für uns ist, welche Auswirkungen Filme wie Ballad of a Small Player und Serien wie High Stakes auf Spieler haben. Fühlen sie sich mitgerissen durch den Erfolg der Charaktere? Wollen sie auch dem ganz großen Gewinn nachjagen? Oder lässt sie die Erzählung völlig kalt?
Wir haben auf Reddit einen langjährigen Spieler gefunden, der uns zu diesem Thema einige Fragen beantwortet hat.
Um unsere Quellen zu schützen, geben wir die Antworten anonym wieder.
1. Seit wann spielst du und was spielst du am häufigsten? Spielst du hauptsächlich online, offline oder beides?
„Ich spiele seit meinem 18. Lebensjahr mit offiziellen Spielen. Ich war sehr glücklich, als ich meinen ersten Lottoschein gekauft habe, war dann aber sauer, dass ich nur 20 Dollar gewonnen habe. Wo ich spiele, hängt von meiner Situation ab, aber ich mache beides, wobei ich offline am meisten spiele, da es dort Werbeaktionen und Wettbewerbe gibt, für die man leider mindestens seine Karte durchziehen muss, um teilnehmen zu können. Online liebe ich die Bequemlichkeit, die Auswahl an Spielautomaten und dass man sich nicht mit anderen Menschen auseinandersetzen muss. Ja, manchmal sind die Leute toll, aber meistens sind sie nervig. Ein großer Vorteil von Offline-Glücksspielen ist, dass es keine Umsatzanforderungen gibt. Das ist für mich generell ein großes No-Go, aber besonders, wenn es so offensichtlich gierig ist wie zum Beispiel eine 200-fache Umsatzanforderung. “
2. Zu welcher Altersgruppe gehörst du?
„25 bis 34. “
3. Welche Glücksspielserien oder -filme hast du gesehen?
„Hmm, ich kenne nicht alle auswendig, aber ich kann dir ein paar nennen, an die ich mich erinnere:
- Lampoons Vegas Vacation
- Ocean’s 11 und 12
- The Flintstones in Viva Rock Vegas
Außerdem gab es so viele Shows und Zeichentrickfilme, aber eine meiner frühesten, wenn nicht sogar die früheste Begegnung mit Glücksspielen verdanke ich Bugs Bunny, der Poker spielte.“
4. Auf einer Skala von 0 bis 10: Inwieweit tragen diese Serien dazu bei, dass du Glücksspiel derzeit als normal empfindest?
„Ich würde sagen 6-7. Sie geben nicht perfekt wieder, was tatsächlich vor sich geht, entweder verstehen sie die Regeln und die Mathematik falsch oder sie zeigen, dass man entweder ein Betrüger oder ein Genie sein muss, was nicht falsch ist, denn es macht einen Unterschied, ob man ein Betrüger oder ein Genie ist, aber es ärgert mich, wenn sie nur das zeigen. Auch das ist nicht falsch, es gibt solche Leute, aber wenn man versucht, einen Charakter auf Genie-Niveau zu bringen, sollte man zumindest die Regeln und die Mathematik der Spiele richtig verstehen. Und außerdem gibt es auch ganz normale Leute.“
5. Hast du, seitdem du diese Serien gesehen hast, häufiger als zuvor nach Regeln, Strategien oder Boni gesucht?
„Ja, das habe ich, aber eine Sache, die sie in den Filmen richtig dargestellt haben, ist, dass man für diese Spiele gut in Mathematik und im Auswendiglernen sein muss, was ich nicht bin.“
6. Hat dich jemals eine Szene dazu veranlasst, Geld einzuzahlen, deinen Einsatz zu erhöhen oder ein neues Spiel auszuprobieren? Bitte beschreibe den Zeitpunkt.
„Ja, auf jeden Fall. Was Lampoons Vegas Vacation angeht, habe ich ihn mir vor kurzem noch einmal ein paar Mal angesehen, also vor etwa 6 bis 8 Monaten, und einer meiner Lieblingsaspekte des Films ist Rusty alias Nick Papagiorgio, der wahnsinniges Glück hatte, schon beim ersten Dreh gewann oder einfach eine verrückte Glückssträhne hatte, sodass ich wirklich Lust bekam, mehr zu spielen, nur um zu versuchen, genauso viel Glück wie er zu haben, vor allem mit dem Zimmer, das er dadurch bekam, das selbst nach heutigen Maßstäben größtenteils sehr schön ist.“
7. Hast du jemals eine Pause vom Glücksspiel eingelegt und nach dem Anschauen einer Sendung oder eines Films den Drang verspürt, wieder damit anzufangen?
„Ja, das ist mir schon ein paar Mal passiert, weil ich nicht diszipliniert genug bin. Das war eher bei Leuten auf YouTube der Fall als bei Filmen.“
8. Schaust du dir auch Glücksspiel-Clips auf YouTube, TikTok, Instagram oder X an?
„Haha, das mache ich tatsächlich. Ich schaue mir hauptsächlich YouTube-Videos zum Thema Glücksspiel an und sehr selten Videos auf X. Ich habe zwar einen Instagram-Account, nutze ihn aber kaum. Einen TikTok-Account habe ich nicht. “
9. Wie realistisch sind deiner Meinung nach die dargestellten Gewinnchancen und Ergebnisse im Vergleich zum wirklichen Leben: sehr realistisch, eher realistisch oder nicht realistisch?
„Für Shows und solche Sachen. Ich würde sagen, dass es zumindest einigermaßen realistisch ist. Sie könnten sich zwar besser mit den Spielregeln, Gewinnchancen und Mathematik auskennen, aber sie geben sich Mühe. Eine der unrealistischeren Sachen ist meiner Meinung nach, dass sie den Eindruck vermitteln, nur Genies oder Menschen mit unglaublichem Glück könnten gewinnen, alle anderen hingegen nicht. Das ärgert mich persönlich. Eine weitere unrealistische Darstellung ist, wie lange man im Casino bleiben darf, insbesondere wenn man bei Tischspielen gewinnt. Wenn man anfängt, halbwegs regelmäßig zu gewinnen, kann ich euch versichern, dass sie sehr schnell hinter einem her sind!“
10. Hast du in den Credits oder Beschreibungen Haftungsausschlüsse, Informationen zu Hotlines oder Hinweise zum verantwortungsvollen Glücksspiel bemerkt? Haben diese dich in irgendeiner Weise beeinflusst?
„Jetzt, wo du es sagst, glaube ich, dass ich noch nie einen Film oder eine Serie gesehen habe, in denen solche Hinweise vorkommen. Das ist wirklich erstaunlich, jetzt, wo du mich darauf aufmerksam gemacht hast.
Nein, eigentlich würde mich das nicht beeinflussen. Ich würde mein Ding trotzdem machen, egal ob mit oder ohne Hinweisen und Warnungen. “
11. Fändest du es in Ordnung, wenn 16- bis 18-Jährige diese Sendungen ohne Aufsicht sehen würden? Warum oder warum nicht?
„Ja und Nein. Ich habe nichts dagegen, wenn 16- bis 18-Jährige lernen und zuschauen. Ich hätte kein Problem damit, denn hey, es kann Spaß machen und macht auch Spaß, es ist eine soziale Angelegenheit, aber auch nicht, weil sie sich noch in der Entwicklung befinden. Man möchte nicht, dass sie denken, Gewinnen sei ein Einkommen. Das kann es sicherlich sein oder sogar halbwegs regelmäßig vorkommen, aber das ist die Ausnahme, nicht die Regel. Das meiste, was man online sieht, sind die Gewinne, nicht die Verluste. Nur selten zeigen und geben Kanäle das zu.“
Interview mit dem ZDF: Sind sich die Produzenten der Gefahren bewusst?
Wir wollen in diesem Artikel nicht nur Experten und Spieler zu Wort kommen lassen, sondern auch die Produzenten im Hintergrund. Wir haben uns dafür an das ZDF gewandt und dem Sender einige Fragen rund um die Serie High Stakes, das Drehbuch und das Gefahrenbewusstsein zukommen lassen.
Die Presseabteilung hat uns folgendes Statement zukommen lassen:
Mit „High Stakes“ wurde ein jüngeres, Streaming-affines Publikum erfolgreich angesprochen. Die Welt des Pokerns ist in der deutschen Film- und Serienlandschaft bislang kaum bespielt. In dieser spannungsgeladenen Kulisse prallen in Form der Hauptfigur Ayla zwei Widersprüche aufeinander: ihr muslimischer Glaube und das verbotene Glücksspiel. Das bietet den Nährboden für ein Charakterdrama, das eine existenzielle Frage behandelt: Wie weit würdest du gehen, um deine Träume zu verwirklichen?
Die Serie zeigt Pokern als einen Weg zum vermeintlich schnellen Geld, der für Ayla jedoch einen sehr hohen Preis hat. So erlebt sie hautnah, wie schnell die Faszination am Spiel kippt und sie alles verliert – nicht nur Geld, sondern auch ihre Freunde und Familie. Am Beispiel von Vincent sieht man zudem, wohin Glücksspiel führen kann: Er hat hohe Schulden und ist in einem starken Abhängigkeitsverhältnis, das ihn unfrei macht.
Bei der Entwicklung der Serie war kein formeller Experte zum Thema Spielsucht in den Schreibprozess eingebunden. Dennoch hat sich das Autor*innen-Team intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, umfangreich recherchiert, Erfahrungsberichte und wissenschaftliche Quellen genutzt. Dabei sollte das Thema Spielsucht nicht romantisiert, sondern die psychologischen und sozialen Folgen ernsthaft erzählt werden.
Die Ausgabe des ZDF deckt sich mit unseren eigenen Beobachtungen. In High Stakes wird das Glücksspiel nicht romantisiert. Es wird vielmehr als Mittel verwendet, um die Träume der Hauptfigur zu erreichen. Dabei wird beleuchtet, wie sich das Glücksspiel auf den Rest ihres Lebens auswirkt: Sie verliert ihre Familie und ihre Freunde. Die negativen Folgen des Glücksspiels werden also ebenfalls thematisiert.
Was uns jedoch verwundert, ist die Tatsache, dass High Stakes ohne fachliche Experten geschrieben und gedreht worden ist. Denn das zentrale Thema der Serie ist Glücksspiel – sollte dabei nicht ein Experte eingebunden werden, der gemeinsam mit der Produktion die Gefahren einschätzt?
Bei unseren Recherchen konnten wir keine Hinweise darauf finden, dass bei Ballad of a Small Player oder Bet mit Experten zusammengearbeitet wurde.
Unterhaltung vs. Sucht: Eine unterschätzte Gefahr?
Wir haben bei unseren Recherchen zu diesem Thema einige interessante Sichtweisen erhalten. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Glücksspiel in Filmen und Serien durchaus Interesse bei den Zuschauern hervorruft. Doch wie ist dies zu bewerten?
Wir haben versucht, unsere Gedanken zu sortieren:
- Die Glanz-und-Glamour-Glücksspielwelt: Es gibt Filme und Shows, in denen Glücksspiel prunkvoll dargestellt wird. Die Spieler kassieren riesige Summen und genießen das Leben in vollen Zügen. Das scheint jedoch die Ausnahme zu sein.
- Glücksspiel als Mittel zum Zweck: Deutlich häufiger wird Glücksspiel als Mittel zum Zweck dargestellt. Lord Doyle versucht, sich in Macau eine Existenz aufzubauen. Ayla möchte sich ihr NASA-Praktikum finanzieren. Diese Darstellungen könnten unserer Einschätzung nach schon eher die Realität treffen.
- Die Schattenseiten: Viele Produktionen zeigen nicht nur die Chancen von Glücksspiel, sondern auch die Risiken. Die Zuschauer verfolgen, wie das Leben der Hauptfiguren zerstört wird und sie immer weiter abrutschen. Das Glücksspiel verhilft ihnen nur in den seltensten Fällen dazu, ihre Ziele zu erreichen.
- Fehlender Bezug zur Realität: Was alle Glücksspielfilme und -serien zu vereinen scheint, ist der fehlende Realitätsbezug. Was nicht gezeigt wird, sind Gelegenheitsspieler. Oder Spieler, die einfach nur zum Zeitvertreib ins Casino gehen oder dort einen netten Abend mit ihren Freunden haben. Fehlt den Spielern durch die unrealistischen Darstellungen der Bezug zu ihrem eigenen Leben?
- Fehlende Warnhinweise oder Expertenwissen: Was uns wirklich überrascht, sind Glücksspielfilme ohne Warnhinweise oder die Expertise von Fachleuten. Es scheint, als würden sich Produktionsfirmen zutrauen, Glücksspiel realistisch darzustellen, ohne die Zuschauer zu gefährden. Gründliche Recherchen reichen dafür unserer Meinung nach nicht aus.
Wir haben den Eindruck erhalten, dass der Schutz der Zuschauer nicht genügend Beachtung findet. Warnhinweise oder die Zusammenarbeit mit einem Experten könnten dazu beitragen, dass zukünftige Glücksspielproduktionen sicherer sind.