Geschichte des Glücksspiels in Deutschland – Teil 4: Der Internet-Markt boomt und sorgt für Regulierungsbedarf

Die Glücksspiel-Industrie in Deutschland hat sich in den 90er-Jahren und nach der Jahrtausendwende weiter verändert. Die Entwicklungen der Branche waren von der Digitalisierung des Angebotes und der damit einhergehenden Regulierung geprägt. Die neueste Fassung des Glücksspielstaatsvertrages, die im Jahr 2021 in Kraft trat, ist das vorerst letzte Kapitel der Glücksspielgeschichte in Deutschland.

Ein Laptop mit Pokerchips, Spielkarten und einem Roulette-Kessel

Von Jahr zu Jahr wird das Glücksspiel im Internet in Deutschland immer beliebter, stellt die Regierung aber vor Herausforderungen. (Symbolbild) © Aidan Howe/unsplash.com

Das erste Online Casino geht 1995 live

Der karibische Inselstaat Antigua und Barbuda verabschiedete im Jahr 1994 ein Gesetz, das die Vergabe von Lizenzen an Unternehmen ermöglichte, die Online-Glücksspiele anbieten wollten.

Im selben Jahr wurde das Software-Unternehmen Microgaming gegründet, welches das mutmaßlich erste Online Casino mit dem Namen The Gaming Club gründete. Erst im Jahr 1995 ging die Website online, denn die Programmierer mussten die Software komplett neu entwickeln und testen. Heute stellt Microgaming seine Spiele den Casino-Anbietern direkt zur Verfügung.

Im Jahr 1996 soll es bereits 15 Glücksspielanbieter im Internet gegeben haben und in den Folgejahren erreichte das Wachstum ein exponentielles Ausmaß. Die Marktentwicklung wurde einerseits vom Ausbau der Internetverbindungen und andererseits durch das Aufkommen der ersten ePayment-Lösung des irischen Unternehmens CryptoLogic vorangetrieben.

Poker und Sportwetten erobern das Internet

Parallel zum Hype um die Online Casinos wurden auch die ersten Plattformen zum Pokern und zum Abgeben von Sportwetten im Internet veröffentlicht. Allerdings mussten Spieler aus Deutschland auf englischsprachige Anbieter setzen, wenn sie im Internet um Geld spielen wollten. Als Pionier für Online-Pokerspiele gilt der Anbieter Planet Poker, der 2017 seinen Dienst einstellte.

Im Jahr 1999 wagte das offizielle Wettangebot der Lottogesellschaften unter dem Namen Oddset den Weg ins Internet. Ursprünglich war geplant, dass der Anbieter eine Monopolstellung erhalten sollte, was sich aber als rechtlich nicht haltbar herausstellen sollte.

Noch bevor Oddset der Monopol-Status aberkannt wurde, ging der Anbieter Tipico im Jahr 2004 als erstes virtuelles Wettbüro für den deutschen Markt online und baute seine Markenbekanntheit durch ein großes Netz an stationären Filialen weiter aus.

Ein Jahr später konnten deutsche Kunden auch beim Buchmacher bwin (damals: Betandwin) spielen, der bereits 1997 gegründet wurde. Es folgten diverse weitere Anbieter, die in zahlreichen Ländern aktiv waren.

Die Bundesregierung erkennt den Regulierungsbedarf

Eine deutsche Flagge weht vor dem Bundestag

Im Bundestag wurde 2008 der erste Glücksspielstaatsvertrag verabschiedet. (Symbolbild) © Ingo Joseph/pexels.com

Das Geschäft mit Casinos, Poker und Sportwetten im Internet wuchs in den frühen 2000er-Jahren stark. Doch es gab keine offizielle deutsche Regulierung, sondern nur Lizenzen aus dem Ausland.

Online-Glücksspielanbieter wählten ihre Standorte auf Malta, in Gibraltar, der Isle of Man oder in der Karibik, wo sich die kleinen Staaten mit der Vergabe von digitalen Lizenzen einen wesentlichen Wirtschaftszweig aufbauten, der bis heute von Bedeutung ist. Die Zwergstaaten lockten Unternehmen, wie z.B. PokerStars, an, weil sie einen sicheren rechtlichen Rahmen und geringe Steuerabgaben versprachen.

Um den Entwicklungen auf dem Online-Markt Sorge zu tragen, wurde im Jahr 2008 der erste Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) von allen Bundesländern abgesegnet. Für die Branche bedeutete dies harte Einschnitte, denn nur noch staatliche Sportwetten (Toto und Oddset) waren erlaubt und Online-Glücksspiele anderer Art wurden komplett verboten. Dies geschah vermutlich auch, um die staatlichen Einnahmen aus Lotterien und Toto-Sportwetten, die wir in Teil 3 unserer Serie näher analysiert haben, nicht zu schmälern.

Offizielles Primärziel des GlüStV war es, den Markt genauer zu überwachen und spielsüchtige Spieler besser zu schützen. Allerdings wurde die intensive Bewerbung der staatlichen Glücksspielangebote kritisiert, die Experten zufolge nicht mit dem Ziel der Verminderung von problematischen Spielverhalten vereinbar gewesen sei.

Schließlich entschied der Europäische Gerichtshof im Jahr 2010, dass das im GlüStV verankerte Sportwetten-Monopol auch aus Gründen der erfolgten Werbung nicht mit dem Europarecht vereinbar gewesen sei. Dadurch waren die Länder dazu gezwungen, sich auf einen neuen GlüStV zu einigen.

Schleswig-Holstein geht einen Sonderweg

Am 15. Dezember 2011 entschieden sich alle Bundesländer dazu, einen modifizierten Glücksspielstaatsvertrag zu unterzeichnen. Dieser sah unter anderem vor, dass bis zu 20 Lizenzen für staatliche und private Anbieter von Sportwetten in einer siebenjährigen Testphase vergeben werden. Am 01. Juli 2012 trat der veränderte Glücksspielstaatsvertrag in Kraft.

Nur Schleswig-Holstein lehnte den Vorschlag ab und entschied sich für einen Sonderweg. Unter der Annahme, dass das Glücksspiel im Internet durch ausländische Anbieter ohnehin nicht zu unterbinden sei, vergab Schleswig-Holstein fünfjährige Lizenzen für Casino- und Sportwettenanbieter im Internet.

Ende 2013 entschied sich die neu gewählte Regierung des Bundeslandes jedoch dazu, den Sonderweg zu beenden und sich den anderen Ländern anzuschließen. Die bereits erteilten Lizenzen behielten jedoch ihre Gültigkeit.

Anhaltende Diskussionen über die Regulierung des Glücksspiels

Die Ausarbeitung eines veränderten Glücksspielstaatsvertrages war in der Folge von vielen Diskussionen gekennzeichnet, sodass zwischen 2014 und 2017 an der zweiten Neufassung gearbeitet wurde.

In der rechtlich undurchsichtigen Lage erhielten die Online-Glücksspielanbieter eine vorläufige Erlaubnis und wurden geduldet, wobei sich immer mehr Casino- und Sportwetten-Anbieter auf die EU-Dienstleistungsfreiheit beriefen und unabhängig von der Gesetzeslage in Deutschland für die Legalität ihres Angebotes argumentierten.

Die politischen Differenzen zum Thema Glücksspiel konnten in Deutschland nicht hinreichend ausgeräumt werden, sodass die Ratifizierung des zweiten veränderten Glücksspielstaatsvertrages scheiterte.

Allerdings stand Deutschland unter Zeitdruck, denn die siebenjährige Testphase des ersten veränderten Glücksspielstaatsvertrages lief Ende Juni 2019 aus. Daher einigten sich die Länder zunächst auf eine Übergangslösung bis Ende Juni 2021, sodass genug Zeit blieb, um den heute gültigen Glücksspielstaatsvertrag auszuverhandeln.

Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 wird abgesegnet und tritt in Kraft

Das offizielle Glücksspiel-Siegel der GGL

Das offizielle Glücksspiel-Siegel der GGL wird von Anbietern genutzt, um ihre Lizenzierung nachzuweisen. © GGL

Nach jahrelangen Verhandlungen stimmten die Länder am 18. Januar 2020 dem heute gültigen Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu. Dieser sah eine Reihe von Veränderungen vor, die unter anderem den Spielerschutz fördern und gleichzeitig eine Legalisierung des Online-Angebotes durch eine zentrale Lizenzvergabe vorantreiben sollten.

In diesem Zusammenhang wurde die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) mit Sitz in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt als offizielle Vergabestelle für Glücksspiellizenzen installiert. Auf der aktuellen Whitelist lassen sich in Deutschland lizenzierte Anbieter jederzeit einsehen.

Aufgabe der Glücksspielbehörde ist zudem die kontinuierliche Überwachung des legalen Marktes und die Entgegennahme von Hinweisen zu illegalem Glücksspiel. Ein entsprechendes Siegel der GGL soll Spieler darüber aufklären, dass sie sich auf der Website eines legalen Anbieters befinden.

Ein Blick in die Zukunft des Glücksspiels in Deutschland

Mit dem Glücksspielstaatsvertrag und der damit einhergehenden rechtlichen Klarheit wurde ein Fundament geschaffen, auf dessen Basis sich die Branche in Deutschland weiterentwickeln kann.

Allerdings ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft noch viele Diskussionen geführt werden, um bessere Bedingungen für die Spieler, aber auch für die Anbieter zu schaffen.

Eine Herausforderung der Zukunft dürfte die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels sein, was den legalen Markt stärken sollte. Darüber hinaus könnte in den nächsten Jahren zur Debatte stehen, inwiefern KI-Technologien verpflichtend zu implementieren sind, um Problemspieler besser zu identifizieren.

Die Geschichte des Glücksspiels in Deutschland ist daher noch nicht zu Ende und man darf gespannt sein, wie sich der Milliarden-Markt in der nächsten Zeit weiterentwickeln wird.

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