Glücksspiel statt Geldanlage: Finanzaufsicht BaFin möchte Börsenhandel mit riskanten Turbo-Zertifikaten besser regulieren

  • Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin möchte den Handel mit risikoreichen Investmentprodukten einschränken
  • Von 2019 bis 2023 verloren Anleger in Deutschland rund 3,4 Milliarden Euro mit Turbo-Zertifikaten
  • BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch vergleicht riskante Geldanlagen mit Glücksspiel
Ein Chart, das Trader an der Börse nutzen

Für unerfahrene Anleger sind riskante Investments an der Börse kaum vom Glücksspiel zu unterscheiden (Symbolbild). © Alesia Kozik/pexels.com

Anleger verzocken ihr Geld an der Börse

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) will den Handel mit sogenannten Turbo-Zertifikaten deutlich einschränken. Grund dafür sei eine neue Untersuchung der Behörde, die zeige, dass die Mehrheit der Kleinanleger mit diesen hochriskanten Produkten Verluste erziele.

Bei Turbo-Zertifikaten handelt es sich um Wetten auf steigende oder sinkende Kurse, die von zwei Handelspartnern eingegangen werden. Der Broker, der das Zertifikat verkauft, verdient jedoch – ähnlich wie die Bank im Casino – bei jedem Deal.

Die finanziellen Konsequenzen scheinen dramatisch: Rund 74 % der Anleger hätten beim Handel mit diesem Finanzinstrument im Schnitt über 6.000 Euro Verluste innerhalb der letzten fünf Jahre erlitten. Insgesamt summiere sich der Verlust über alle Anleger hinweg auf rund 3,4 Milliarden Euro. Dies zeige, dass ein Großteil der Anleger die Risiken dieser Finanzprodukte unterschätze.

Im Reddit-Kanal r/Finanzen, in dem täglich die Geschehnisse an der Börse zusammengefasst werden, wurde jüngst darüber diskutiert, dass gehebelte Zertifikate Parallelen zum Glücksspiel aufweisen würden:

Comment byu/the-eyes-never-lie from discussion inFinanzen

Auch BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch habe gegenüber dem Handelsblatt erklärt, Turbo-Zertifikate seien “näher am Glücksspiel” als an der langfristigen Vermögensanlage einzustufen, wie auch andere Experten aus der Schweiz erkannt haben wollen.

So möchte die BaFin das Glücksspiel an der Börse eindämmen

Aus dem oben verlinkten Bericht der BaFin geht hervor, wie sich die Finanzaufsicht die Regulierung von Turbo-Zertifikaten zukünftig vorstellt:

  • Deutliche Risikohinweise: Anbieter müssten klar darauf hinweisen, dass rund 70 % der Kleinanleger mit Turbo-Zertifikaten Verluste erleiden würden– und zwar bei jeder Art von Werbung oder Verkauf.
  • Keine Lockangebote: Boni oder Vergünstigungen, die zum Kauf von Turbo-Zertifikaten motivieren könnten, etwa reduzierte Ordergebühren, Geschenke oder bevorzugter Service, sollen künftig verboten werden.
  • Verpflichtender Wissenstest: Wer Turbo-Zertifikate handeln will, müsse vorher einen Wissenstest bestehen, der zeige, dass die Grundfunktionen verstanden würden. Der Test solle alle sechs Monate erneut durchgeführt werden müssen.

Neben den Turbo-Zertifikaten gibt es jedoch noch weitere Gründe, warum unerfahrene Anleger zu riskanten Investments verleitet werden könnten. Das österreichische Startup-Magazin Trending Topics hat Anfang des Jahres dafür geworben, dass (hochriskante) Investments in Startups eine bessere Alternative zum Glücksspiel seien. Zudem hat der US-Präsident Donald Trump in den sozialen Medien zum Aktienhandel aufgerufen, nachdem er die Kurse zuvor mit seiner Zollpolitik auf Talfahrt geschickt hatte.

Nicht alle Börsen-Investments sind Glücksspiel

Im Gegensatz zu den umstrittenen Turbo-Zertifikaten ist das Investment in Aktien und ETFs zum langfristigen Vermögensaufbau gedacht und weist daher weniger bis keine Parallelen zum Glücksspiel auf. Vor allem marktbreite ETFs wie der MSCI World oder der FTSE All-World streuen das Risiko des Totalausfalls einzelner Werte auf Tausende Unternehmen weltweit.

Schwankungen der Kurse sind zwar dennoch zu erwarten, aber historisch gesehen hat ein Investment in den breiten Markt über lange Zeiträume stabile Renditen hervorgebracht. Wer jedoch versucht, durch gezieltes Halten und Verkaufen einzelne besonders profitable Aktien zu finden, geht ein höheres Risiko ein – ohne Fachwissen kann auch das zum Glücksspiel werden.

Das Wissen hinsichtlich der Funktionsweise der Finanzprodukte an der Börse könnte eine gute Eintrittsbarriere darstellen, um Anleger davon abzuhalten, ihr Geld höheren Risiken auszusetzen, als sie es einschätzen. Mit Wissens-Tests könnte man dem gefährlichen Zocken mit Zertifikaten einen Riegel vorschieben, ohne erfahrene Anleger zu gängeln.

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