Teil 1: Wie Künstliche Intelligenz (KI) das Pokern verändert

Seit Hunderten von Jahren spielen Menschen Karten. Tausende von Spielvarianten sind so im Laufe der Zeit entstanden. Skat, Blackjack, Doppelkopf, Solitär oder auch simplere Spiele wie Mau-Mau und Uno haben eines gemeinsam: Sie bringen Menschen zusammen und sind unterhaltsam. Eines der beliebtesten und wohl auch interessantesten Kartenspiele ist aber ohne Zweifel Poker – das faszinierende Spiel, bei dem Strategie, Psychologie und ein Quäntchen Glück Hand in Hand gehen Heute steht es möglicherweise vor tiefgreifenden Veränderungen.
Roboterhand und menschliche Hand berühren sich.

Wie viele andere Dinge wandelte sich auch das Pokerspiel über die Jahre. Fernsehübertragungen, waschechte Superstars und Preise in Millionenhöhe – vor 100 Jahren hätte all dies wohl kaum ein Pokerspieler für möglich gehalten. Doch der größte Wandel steht möglicherweise erst noch bevor. Oder hat er schon begonnen?

Die Rolle von KI im Poker

KI hat die Welt in den vergangenen Jahren im Sturm erobert, wie kaum eine andere Technologie es jemals zuvor getan hat. Die langfristigen Auswirkungen von KI sind bislang noch kaum abzusehen. Von der nächsten Evolutionsstufe bis hin zum vollständigen Auslöschen der Menschheit – die Meinungen von Experten und Laien gehen gleichermaßen weit auseinander. Aber mit Evolution und Apokalypse können sich andere beschäftigen. In unserem Blogbeitrag geht es um Poker und die Auswirkungen von KI auf das Spiel.

Ein wesentlicher Bestandteil des Pokerspiels ist die (vermeintliche) Unberechenbarkeit des Spiels. In jeder Partie kann es zu unzähligen verschiedenen Situationen kommen. Jede Runde hält neue Überraschungen bereit, die die Herzen von Fans auf der ganzen Welt immer wieder höher schlagen lassen. Solche Situationen sind es, die für grenzenlose Euphorie und bodenlose Enttäuschung sorgen.

Die KI könnte dies grundlegend verändern. Denn sie ist prinzipiell dazu in der Lage, die unzähligen variablen Situationen und Entscheidungen, die im Spiel auftreten, zu analysieren und optimale Strategien abzuleiten – und zwar mithilfe von ausgefeilten Algorithmen. Diese Algorithmen werden durch das Spielen von Millionen von Partien gegen sich selbst oder simulierte Gegner trainiert in einem Prozess, der als Verstärkungslernen oder Reinforcement Learning bekannt ist. Das Ergebnis ist eine KI, die nicht nur die Komplexität des Pokerspiels versteht, sondern auch in der Lage ist, innovative Spielstrategien zu entwickeln, die selbst für erfahrene menschliche Spieler überraschend sein können.

Reinforcement Learning in der Künstlichen Intelligenz

Dafür, dass Reinforcement Learning in der Praxis schwer umzusetzen ist und viel technologischen Vorwissens bedarf, ist es recht einfach erklärt. Stellen Sie sich das wie ein Spiel vor, bei dem die KI Punkte sammelt, indem sie gute Entscheidungen trifft und Punkte verliert, wenn sie Fehler macht. Das Ziel der KI ist es, herauszufinden, welche Aktionen in verschiedenen Situationen die höchste Punktzahl bringen, um das Spiel zu gewinnen oder ihre Aufgabe erfolgreich zu erfüllen.

Der Lernprozess im Reinforcement Learning ähnelt dem Lernen durch Trial and Error, das auch Menschen und Tiere anwenden. Die KI probiert verschiedene Strategien aus und beobachtet, welche Ergebnisse sie bringen. Positive Ergebnisse (oder Belohnungen) zeigen der KI, dass die gewählte Aktion in einer bestimmten Situation gut war, während negative Ergebnisse (oder „Strafen“) ihr signalisieren, dass eine andere Strategie vielleicht besser gewesen wäre.

Ein Schlüsselelement des Reinforcement Learning ist die Politik der KI – eine Art Leitfaden, der bestimmt, wie sie sich in verschiedenen Situationen verhalten soll. Diese Politik entwickelt sich mit der Zeit, indem die KI aus ihren Erfahrungen lernt und ihre Strategie entsprechend anpasst, um ihre Leistung zu verbessern und mehr Belohnungen zu erhalten.

Mithilfe dieses Prozesses lernt eine KI mit der Zeit, die richtigen, hochkomplexen Entscheidungen zu treffen – und verbessert sich so mehr oder weniger selbständig. Dies trifft auch auf das Pokern zu.

Pluribus als Vorzeigebeispiel

Pluribus ist eines der besten Beispiele dafür, wie ein Bot selbst erfahrene Profi-Pokerspieler an den Rande der Verzweiflung bringen kann. Der Bot wurde als Forschungsprojekt an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA, entwickelt. Das Prinzip ist denkbar einfach: Mithilfe von Reinforcement Learning und Partien gegen sich selbst hat der Bot innerhalb von nur acht Tagen eine Base Strategy entwickelt, die dann in Online-Partien gegen echte Gegner immer weiter verfeinert wurde.

Und das mit Erfolg: In No-Limit Hold’em-Partien gegen fünf professionelle Pokerspieler gewinnt der Bot im Durchschnitt 5 US-Dollar pro Hand oder 1.000 US-Dollar pro Stunde. Und das, obwohl Pluribus meist eine Strategie nutzt, die empirisch gesehen lange nicht so erfolgreich sein sollte, wie sie es in Wirklichkeit ist: Die KI nutzt Donk Betting, beendet Runden also meist mit einem Call und eröffnet sie mit einer Bet.

“[Ich fühlte mich] sehr hoffnungslos. Man hat nicht das Gefühl, dass man irgendetwas tun kann, um zu gewinnen.”Jason Les, professioneller Pokerspieler, The Wall Street Journal

Die Entwickler an der Carnegie Mellon University sind sich dem potenziellen Impact ihrer Kreation durchaus bewusst. Deshalb haben sie sich dazu entschieden, den Quellcode der KI nicht zu veröffentlichen – aus Sorge dafür, dass er von Betrügern genutzt werden könnte, um sich selbst auf Kosten anderer zu bereichern.

KI als Trainingsinstrument im Poker

Zum Glück ist nicht alles, was KI in der Welt des Pokers beiträgt, schlecht. Als Trainingsinstrument hat sich die Technologie als überaus wertvoll herausgestellt. Durch die Nutzung von KI-basierten Programmen und Plattformen können Spieler ihre Fähigkeiten verfeinern, ausgeklügelte Strategien entwickeln und ihre Spielentscheidungen eingehend analysieren – und das in einer absolut risikofreien Umgebung gegen einen Gegner, der teils überlegen ist.

Vor allem die Simulation von spezifischen Spielsituationen ist ein zentraler Bestandteil des Trainings mit KI-Programmen. Spieler können gegen KI-Bots antreten, die menschliche Strategien nachahmen und sogar neue, unkonventionelle Spielweisen einbringen. Diese Bots sind so programmiert, dass sie sich an das Niveau und den Spielstil des menschlichen Gegners anpassen. Das ermöglicht eine personalisierte Lernerfahrung.

Das Beste daran: Das unmittelbare Feedback, das die KI liefert. Mit dessen Hilfe können Spieler ihre Spielzüge für zukünftige Partien optimieren. Viele KI-Trainingsprogramme bieten mittlerweile umfangreiche Analysetools. Diese Tools können komplexe Spielzüge und -strategien durchleuchten, indem sie Handverläufe, Einsatzmuster und die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Spielausgänge untersuchen. Spieler können so kritische Momente bei ihren Spielen identifizieren, in denen eine andere Entscheidung möglicherweise zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Das hilft Spielern, ihre Schwachstellen zu erkennen und gezielt zu verbessern.

Es gibt mittlerweile verschiedene Plattformen, die solche KI-Trainingslösungen anbieten. Darunter befinden sich Onlinepoker-Websites mit integrierten Analysetools. Es gibt aber auch spezielle Softwares, mit denen ambitionierte Pokerspieler an ihren Spielzügen feilen können. Diese bieten oftmals nicht nur Spielanalysen, sondern auch theoretische Ressourcen, Video-Tutorials und interaktive Lektionen.

Tool Funktionen Preis
Hand2Note Tracking von Händen und Verarbeitung von Pokerstatistiken, geeignet für Anfänger und Profis Kostenlose Beta
OmahaPro Erlernen von Preflop-Ranges in Pot-Limit Omaha 33,75 Euro bis 55,00 Euro pro Monat
DriveHUD 2 Next-Generation HUD und Datenbanksoftware, entworfen von professionellen Pokerspielern 23,00 Euro bis 74,00 Euro pro Jahr
Holdem Manager 3 Tools für die Sammlung, Analyse und Anzeige von Statistiken Je nach Tool
Poker Tracker 4 Programm zur Sammlung, Analyse und Anzeige von Statistiken 64,00 Euro bis 159,00 Euro
Simple Poker Software für die Berechnung optimaler GTO-Spielstrategien 250,00 USD
FreeBetRange Erstellen und Anwenden von Preflop-Strategien, mit Importfunktion von anderen Tools 59,00 Euro pro Jahr

KI birgt also durchaus Nutzen für das Pokerspiel. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille, denn die Technologie lässt sich leicht missbrauchen. Lesen Sie mehr darüber in Teil 2 unserer Artikelreihe.

Neueste Blog Guides

ALLE GUIDES ANZEIGEN