Zensur in Europa: Netzsperren gegen Casinos in der Schweiz und Tschechien

Der Flickenteppich europäischer Glücksspielgesetzgebung franst weiter aus. Anstatt einheitliche Regeln für alle Online Anbieter zu etablieren, wollen die Schweiz und Tschechien mit Netzsperren gegen ausländische Geldspielseiten im Internet vorgehen. Solche Eingriffe sind sowohl aus rechtlicher als auch aus technischer Perspektive hochgradig umstritten.

Sitz des Nationalrats in Bern

Foto: Flickr, LizenzDer Nationalrat hat entschieden: Netzsperren sollen die heimische Industrie schützen

In Tschechien wurde der Markt zum Anfang des Jahres reguliert: Internationale Unternehmen dürfen sich seitdem um Lizenzen bewerben. Aufgrund der damit verbundenen Kosten haben sich bislang allerdings nur sehr wenige Firmen für diesen Weg entschieden. So betreibt der Konzern Amaya unter PokerStars.cz eines der wenigen in Tschechien lizensierten Angebote. Andere Anbieter wie William Hill haben sich zunächst zurückgezogen und akzeptieren einstweilen keine tschechischen Spieler mehr.

Andere Online Casinos ignorieren die neuen Vorgaben allerdings und sind weiterhin zugänglich. Diese sollen nun durch Netzsperren zur Lizensierung bewogen werden. Welche Seiten dabei gesperrt werden obliegt der Entscheidung des tschechischen Finanzministeriums. Aus Protest gegen den beschränkten Zugang zum Internet hatten Aktivisten des Hackerkollektivs Anonymous in der Vergangenheit bereits den Webauftritt des tschechischen Senats lahmgelegt.

Internetsperren sind in vielen europäischen Ländern Gegenstand lebhafter Diskussionen. In Frage steht vor allem, inwieweit sich das in vielen Verfassungen verankerte Grundrecht auf Informationsfreiheit mit den Sperrungen vereinbaren lässt. In der Schweiz hat nun der Nationalrat solche Maßnahmen mit 147 zu 32 Stimmen bei 7 Enthaltungen grundsätzlich befürwortet. Zuvor hatte sich die Rechtskommission noch gegen Netzsperren ausgesprochen.

Der Fall ist bei den Eidgenossen allerdings grundsätzlich anders gelagert als in Tschechien. Die Schweizer möchten ganz offen die heimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz schützen. So sollen sich nur Glücksspielfirmen mit Sitz in der Schweiz um Onlinelizenzen bewerben dürfen. Nur wer über ein terrestrisches Angebot verfügt, darf dann auch im Internet legal aktiv werden. Alle sonstigen im Netz verfügbaren Anbieter sollen ausgesperrt werden. Bei solchen protektionistischen Vorhaben wird von Kritikern die Schaffung eines Präzedenzfalles befürchtet.

So könnten sich andere Branchen für ähnliche Schutzmaßnahmen mit Verweis auf die ansonsten privilegierte Glücksspielindustrie stark machen. Auch andere Onlinedienste wie Uber für Fahrdienstleistungen und Airbnb für Übernachtungen setzen den etablierten einheimischen Industrien zu. Warum sollten sich diese nicht mit Netzsperren vor der Konkurrenz schützen wollen? Entsprechend harsche Worte waren daher im Nationalrat vonseiten der Opposition aus SVP und Grünen zu hören.

Sperren entsprechen nicht dem freiheitlichen, demokratischen Gedankengut. Das tun Diktaturen. Beschließen wir den Dammbruch, ist das der Anfang von noch viel mehr.“ Franz Grütter, Abgeordneter SVP/LU

Dieser Argumentation folgte das Parlament allerdings nicht. Auch ein Kompromissvorschlag der Grünen, ausländische Geldspiele aus Suchmaschinenergebnissen herauszufiltern, ohne sie zu sperren, fand keine Mehrheit.

Die Effektivität von Netzsperren ist ohnehin fraglich

Neben den rechtlichen Bedenken eines Eingriffs in die Freiheit des Internets gibt es auch erhebliche Zweifel an dem Nutzen von Netzsperren. Derzeit ist es mit einfachen Mitteln möglich, diese zu umgehen. Etwa indem man den eigenen Datenverkehr über eine Zwischenstation mit ausländischer IP-Adresse umleitet. Was kompliziert klingt, ist auch technisch nicht bewanderten Nutzern kostenlos und mit wenigen Mausklicks möglich. Die Netzsperren liefen damit ins Leere. Auch die Internetanbieter selbst sind von den Gesetzesänderungen nicht begeistert. Sie fürchten auf den Kosten für den Betrieb der Sperren sitzen zu bleiben, während die Glücksspielindustrie davon profitieren würde.

Das grundsätzliche Interesse der Regierungen, die einheimische Wirtschaft zu unterstützen, ist natürlich nachvollziehbar. Die Steuereinnahmen aus Glücksspiel sind in der Schweiz beispielsweise für die Sportförderung von erheblicher Bedeutung. Allerdings erscheint es weiterhin unklar, warum man nicht auch Lizenzen an die europäischen Wettbewerber vergibt und diese dann nach Schweizer Recht zur Kasse bittet. Die jetzt beschlossenen Netzsperren kann man aus dieser Perspektive nur als Heftpflaster auf einer offenen Wunde betrachten. Wer bislang bei ausländischen Anbietern spielt, wird das auch in Zukunft mit geringem Mehraufwand tun können. Den einheimischen Internetanbieter entstehen unnötige Kosten und Netzsperren etablieren sich trotz ihrer offenkundigen Schwächen als Mittel der Politik.

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