Wimbledon unter Manipulationsverdacht

Bei der unabhängigen Tennis-Integritätsabteilung ITIA (International Tennis Integrity Agency) sind Meldungen über potenzielle Spielmanipulationen in Bezug auf zwei Erstrundenmatches in Wimbledon eingegangen. Eines davon unter deutscher Beteiligung. Der Tennissport gilt als besonders anfällig für Matchfixings im Kontext von Sportwetten. Droht nun ein weiterer Skandal um Wettbetrug im Tennis?

Ein Tennisspieler beim Aufschlag.

Im letzten Jahr wurden etliche Profis wegen Spielmanipulationen gesperrt. ©MoisesAlex/Unsplash

Meldungen über verdächtige Live-Wetten

Erst im April hatte die ITIA (früher Tennis Integrity Unit, TIU) einen Rückgang des Wettbetrugs im Tennis für 2020 gemeldet. Doch nun wird der Tennissport erneut von einem potenziellen Skandal erschüttert: Zwei Erstrundenmatches des legendären Wimbledon-Turniers stehen unter Manipulationsverdacht. Auch ein deutscher Spieler könnte involviert sein. Bei der ITIA sind Meldungen über verdächtige Live-Wetten eingegangen.

Zwei Hinweise zu möglichen Spielmanipulationen, sogenannten Matchfixings, werden aktuell von der ITIA untersucht. Laut Aussagen der Zeitung Die Welt beziehen sich die verdächtigen Live-Wetten auf ein Match im Herren-Doppel sowie auf ein Herren-Einzel unter Beteiligung eines deutschen Profis. Der Verdacht soll sich aber eher gegen den Kontrahenten richten. Der Sportinformationsdienst SID hat die Untersuchungen bereits bestätigt. Details wurde nicht bekannt.

Die verdächtigen Aktivitäten wurden der ITIA von der Wettindustrie übermittelt – die Sicherheitssysteme seriöser Buchmacher schlagen bekanntlich Alarm, sobald es zu verdächtigen Platzierungen – zum Beispiel auffallend hohen Einsätzen bei Live-Wetten kommt. Jeder Alarm, der gemeldet wird, wird aufgezeichnet, bewertet und gegebenenfalls weiterverfolgt. Eine Warnung sei aber noch kein Beweis für eine Spielmanipulation, so das jüngste Kredo der ITIA.

Seit Januar 2021 hat die ITIA offiziell die Tennis Integrity Unit (TIU) abgelöst. Fortan setzt sich die Instanz weltweit für den Schutz vor Korruption im Tennis ein. Neben der Präventionsarbeit sammelt sie Informationen und untersucht Spielmanipulationen. Die ITIA hat die Möglichkeit, Geldstrafen und Sperren gegen Tennisprofis, Schiedsrichter und anderweitige Tennisfunktionäre zu verhängen. ITIA ist eine Initiative des IGB (International Governing Bodie), bestehend aus den Verbänden ITF, ATP, WTA und den vier Grand-Slam-Turnieren. Ab 2022 wird die ITIA auch das Anti-Doping-Programm für den Tennissport übernehmen.

Wimbledon selten von Warnungen betroffen

Laut ITIA sind verdächtige Aktivitäten bei Grand Slam-Turnieren wie Wimbledon eher selten. Im Visier der Betrüger stünden eher kleinere Turniere und Profis der niederen Ränge. Im letzten Jahr kam es beinahe wöchentlich zu Meldungen über Manipulationen, Ermittlungen und harten Sperren sowie Geldstrafen gegen Tennisprofis. Warum gerade der Tennissport so anfällig für Manipulationen ist, erklärte der Spieler Johan Nikles (23) Anfang des Jahres in einem ZDF-Report.

Nikles befindet sich im ATP-Ranking momentan auf Platz 500. In dem schockierenden Report erklärte der Profi, dass die bisherigen Auffälligkeiten und Sperren leider nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Grund für die zunehmenden Matchfixings seien die geringen Verdienstmöglichkeiten für Tennisspieler, die nicht zu den Topspielern zählen. Dementgegen sei es besonders leicht mit illegalen Matchfixings in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen.

Laut Nikles seien Wettmanipulationen im Tennis ein allgegenwärtiges Problem. Es sei besonders leicht im Tennis zu betrügen, da es oft genüge, auf lediglich ein Spiel innerhalb eines einzelnen Satzes zu setzen. Oftmals genüge es auch, dass ein Spieler zwischen zwei Spielen oder Sätzen eine Verletzung vor- oder antäuscht, um die Quoten in bestimmte Richtungen zu lenken. Auch er selbst sei schon von Betrügern angesprochen worden, so Nikles.

Grundlage der ITIA-Ermittlungen ist das sogenannte Tennis-Antikorruptions-Programm (TACP). Die darin enthaltenen Paragrafen besagen, dass kein Spieler Spielergebnisse manipulieren darf. Zudem dürfen Spieler keine anderen Spieler dazu auffordern, nicht ihr Bestes zu geben. Ein weiterer Abschnitt besagt, dass ein Spieler, der von einer Person angesprochen wird, die Geld, Vorteile oder Gegenleistungen in Bezug auf Spielabsprachen bietet, dies umgehend bei der ITIA melden muss. Darüber hinaus sind alle registrierten Spieler zur uneingeschränkten Kooperation mit der Instanz verpflichtet.

Matchfixings: Problemsport Tennis

Wie aus einem Bericht von Europol, dem Polizeiamt der Europäischen Union (EU), hervorgeht, haben illegale Spielabsprachen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Vor allem Tennis bildet in diesem Kontext ein Problemfeld: Im Jahr 2016 wurden lediglich 11 Spiele manipuliert, im Jahr 2017 waren es schätzungsweise 236, wobei dieser Wert bis 2018 wieder leicht auf 191 gesunken ist.

Die International Betting Integrity Association (IBIA) gab bekannt, dass die Zahl der Meldungen über verdächtige Wetten im dritten Quartal 2019 um 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Zwei Drittel der Fälle entfielen auf Fußball und Tennis. Diese beiden Sportarten generierten jeweils 25 Meldungen, die zusammen 66 % aller im dritten Quartal erfassten Fälle ausmachten.

Um der Situation zu begegnen, hatte die IBIA im Oktober 2020 neue Standards für den Datenschutz erlassen, die zur Wahrung der Integrität von Sport und Buchmachern beitragen sollen. Ein Großteil der Regeln bezog sich auf die Protokollierung der Geschäftsvorgänge und die Nachvollziehbarkeit der Datensätze, welche den Wettanbietern zur Verfügung gestellt werden. In beiden Feldern war laut IBIA ein Mangel an Transparenz festzustellen.

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