Uganda – Land der vergessenen Zocker?

Es herrscht Glücksspielmanie in Uganda, Ostafrika. Der Sportwettmarkt boomt wie kaum ein anderer Sektor. Im Fokus steht europäischer Spitzenfußball. Millionen, zumeist Jugendliche und junge Männer, zieht es täglich in die etlichen Wettlokale. Ebenso mittel- wie perspektivlos und vom Elend getrieben, verfallen viele der Spielsucht. Die Politik schaut tatenlos zu.

Der relativ kleine Binnenstaat Uganda versinkt immer tiefer in einem ökonomischen und vor allem sozialen Glücksspiel-Desaster, das belegen aktuelle Reports des ugandischen Forschungszentrums für Wirtschaftspolitik (Economic Policy Research Center, kurz EPRC).

Seit 2015 hat die Einrichtung mehrere Untersuchungen über die „Sozioökonomischen Effekte des Glücksspiels“, vorzüglich am Beispiel von Ugandas Hauptstadt Kampala ausgewertet, wo sich über 1000 lizenzierte Wettbüros auf über vierzig Anbieter verteilen. Dazu arbeiten etliche illegale Wettlokale ohne staatliche Genehmigung.

Die Ergebnisse der EPRC-Studien in Kampala sind schockierend: Jeder vierte Erwachsene in der 1,5 Millionen-Metropole gibt an regelmäßig an Glücksspielen teilzunehmen. Am Victoriasee im Herzen Afrikas werden durchschnittlich über zwanzig Prozent der häufig ohnehin sehr spärlichen Monatsgehälter verprasst. Nach Hochrechnungen des EPRC zockt jeder Zweite zwischen 18 und 30 Jahren. Insgesamt zählt Uganda rund 35 Millionen Einwohner.

Als wäre das nicht genug, werden Glücksspiele, insbesondere Sportwetten, von über 73 Prozent aller Befragten nicht als Hobby, sondern zur Existenzsicherung betrieben.

Das ganze Ausmaß der katastrophalen Entwicklung wird ersichtlich, wenn man bedenkt, dass über die Hälfte der Bevölkerung Kinder bis 14 Jahre sind. Über 45 Prozent der Jugendlichen zocken, obgleich Glücksspiel für unter 25-Jährige verboten ist. Die zweite große Altersgruppe, knapp unter 50 Prozent, bilden die 15- 64 -Jährigen – wirklich ‚alte‘ Menschen gibt es aber kaum. Im Durchschnitt sind die Einwohner Ugandas daher nur etwa 15 Jahre alt.

Die Leute wollen unbedingt aus der Armut herauskommen, haben aber keine Arbeit und keine Perspektiven“, sagt Paul Lakuma, Wissenschaftler am EPRC.

Der Mitbegründer der Kampala-Studien fügt hinzu, dass Glücksspiel für die meisten jungen Menschen schier als einziger Ausweg betrachtet wird. Er betont, dass – trotz des Abklingens der zwanzigjährigen ‚Schreckensherrschaft‘ der Kindersoldatenarmee „Lord’s Resistance Army“ und trotz voranschreitender Demokratisierung und Armutsbekämpfung – immer noch jeder Dritte Einwohner Ugandas von etwa zwei Euro am Tag leben müsse.

Glücksspiel ohne Glück

Für junge Menschen ohne echte Chance aus einem Land, in dem Träume immer schon Schäume waren und sämtliche Ziele zwangsläufig Nieten werden, entpuppt sich Glücksspiel als ein doppelt und dreifach-zwielichtiges Unterfangen. Gerade der Bereich Sportwetten mit Blick auf den europäischen Fußball übt hier natürlich einen so ‚glanzvollen‘ wie auch gefährlichen Reiz aus.

Durch Glanz und Gloria der europäischen Ligen geblendet und beflügelt vom Wunsch nach Teilhabe an einem besseren, modernen Leben verscherbeln die kaum erwachsenen Konsumenten ihr letztes Hab und Gut. Die Schule wird geschwänzt, häufig auch komplett abgebrochen. Gezockt wird fortan täglich, solange bis nichts mehr geht.

In der Hoffnung auf das große Glück, sind es ebenjene zwei Euro des Tages, die in den Tipp-Schein fließen. Fast sämtliche Spielstände aller Sportarten der Welt sind in den Wettbüros allgegenwärtig. Es wird gebangt, gebibbert und mitgefiebert – ein Gewinn von rund 20 Euro gilt in Uganda bereits als Jackpot, der eine Woche lang vieles regelt. Im Wett-Wahn verlieren die jungen Männer auf Dauer jedoch alle Realitätsbezüge.

“Jeden Tag kommen Zocker zu uns, die alles verloren haben”, so Jacky Habassa, Leiterin der Hilfsorganisation Family Life Network. Auch berichtet die Vorsitzende der NGO von Ehefrauen, die zu Hause aus Sucht und Frust geschlagen werden. „Kinder hungern“, heißt es weiterführend, während spielsüchtige Väter bereitwillig auch die letzten Lebensversicherungen auf den Putz hauen. Alles für eine unrealistische Vorstellung von Gewinn und Erfolg.

Mittlerweile setzten sich für die Live-Übertragung eines Spitzenspiels der englischen Premier-League mehr Menschen vor den Bildschirm, als für das eigene Nationalteam. Und die Industrie zieht mit: Innerhalb der Ausbreitung jener Wett-Epidemie rüsten Sportkanäle sowie Wettbetreiber auf. Vermehrt wird der europäische Fußball indessen auch in den abgelegensten Regionen Ugandas ausgestrahlt. Die Wetthäuser der Marken TopBet, Sports Betting Africa und Forte Bet stehen praktisch überall.

Eine Suchtbehandlung sucht man stattdessen vergeblich, sowohl in den Weiten der Wüsten und Steppen als auch im Großstadtdschungel von Kampala, Mukona oder Masaka.

Spielerschutz? Höchstens auf dem Papier

Glücksspiel ist in Uganda ein noch recht junges soziales Phänomen: Erst seit der Jahrtausendwende, besonders innerhalb der letzten fünfzehn Jahre, breiteten sich Casinos und vor allem Wettbüros virenartig in den Städten aus. Nicht nur Ugandas Bürger leiden unter dem eher fraglichen ‚Erfolg‘ der Wett-Branche. Auch Ugandas Regierung sollte sich über die Folgen der Verheizung einer womöglich ganzen Generation klarwerden.

In einem fremden Haifischbecken haben sich die Regulierer der Politik viel zu lange passiv und inkonsequent gezeigt. Wie Szene-Insider bestätigen, ist die Bestechung der Polizei im Falle von Verstößen für den gesamten Sektor handelsüblich. Ein weiteres Problem ist die Fiskalabschöpfung, welche die drei großen Wettanbieter TopBet, Sports Betting Africa und Forte Bet in Uganda betreiben: Die Unternehmen stünden unter dem Dach ausländischer Konzerne, so heißt es. Gewinne würden deshalb ungleich ins Ausland transferiert. Wer sich hinter den Marken verbirgt, scheint zudem kaum nachvollziehbar für Außenstehende, was zumindest erste Recherchen ergaben.

Laut Medienberichten ist die ugandische Regierung über die massiven Glücksspielschäden ihrer Gesellschaft im Bilde – den Steuererträgen des Sektors von aktuell rund 6 Mio. Euro, möchte man aber dennoch keinesfalls entsagen. Ugandas Regierung hat daher im letzten Jahr die Gesetzesauflagen für Glücksspielbetreiber verdichtet sowie vermehrte Kontrollen durch die Polizei angeordnet. Unter anderem müssen Wettanbieter jetzt um 22h schließen. Bis dato können die Beschlüsse nur als Wertlos-Papiere eingestuft werden.

Dass das fortschreitende Wachstum des Sektors sowie die immer höhere Anzahl an jungen Spielsüchtigen (Schätzungen gehen derweil von über 10 Prozent aus, empirische Daten gibt es aber nicht) auch auf einem demografischen Wandel fußt, deutet der EPRC-Wissenschaftler Lakuma an: „Die jungen Männer wollen weder den Boden bestellen noch Kühe hüten – das Glücksspiel kann die Gesellschaft zerstören.“

Eine ohnehin geladene Gesellschaft, derart jung, sollte man demgemäß nicht zusätzlich überspannen. Ein weiterer brutaler Bürgerkrieg wäre vermutlich die schlimmste Folge dieses ostafrikanischen Gambling-Fiaskos – das droht, Uganda ein weiteres Mal ins völlige Chaos zu stürzen.

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