TIU gegen Wettmanipulation machtlos?

Die zunehmenden Wettmanipulationen im Tennis werden in der Sport- und Glücksspielwelt zurzeit starkdiskutiert. Mit etlichen Sperren sorgte TIU (Tennis Integrity Unit), die Integritätsabteilung des Tennissports, innerhalb der letzten Monate immer wieder für Schlagzeilen. Nun wurde dem ZDF eine Skandalliste zugespielt, die das gravierende Ausmaß der illegalen Absprachen verdeutlicht. Ist die Kontrollinstanz TIU gegen die Betrüger machtlos?

 Ein Tennisspieler kurz nach dem Rückschlag.

Den Betrügern genügt häufig schon eine vorgetäuschte Verletzung, um Quoten zu beeinflussen. ©StockSnap/Pixabay

Schnelles Geld in kurzer Zeit

Aufgrund von Wettmanipulationen hatte TIU erst kürzlich weitere Tennisspieler gesperrt. Wie dramatisch die Situation im Tennis tatsächlich ist, zeigt ein aktueller Beitrag von ZDF. Dem Sender wurde eine Skandalliste zugespielt, auf dem dutzende manipulierte Matches aufgeführt werden. Sowohl Männer als auch Frauen sind betroffen. Bei allen Partien hatten die Warnsysteme von Buchmachern Alarm geschlagen, da verdächtige Einsätze platziert wurden.

Der Schweizer Tennisprofi Johan Nikles (23), der sich im ATP-Ranking momentan auf Platz 500 befindet, bestätigte die Problematik und erklärte, dass die Skandalliste leider nur die Spitze des Eisbergs sei. Grund für die zunehmenden Manipulationen seien die geringen Verdienstmöglichkeiten für Tennisspieler, die nicht zu den Topspielern zählen. Dementgegen sei es besonders leicht mit illegalen Spielabsprachen, sogenannten Matchfixings, in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen.

Matchfixings im Tennis besonders leicht

Laut Nikles seien Wettmanipulationen im Tennis ein allgegenwärtiges Problem. Es sei besonders leicht im Tennis zu betrügen, da es oft genüge, auf lediglich ein Spiel innerhalb eines einzelnen Satzes zu setzen. Oftmals genüge es auch, dass ein Spieler zwischen zwei Spielen oder Sätzen eine Verletzung vor- oder antäuscht, um die Quoten in bestimmte Richtungen zu lenken. Die Liste des ZDF würde Nikles deshalb nicht überraschen.

Nikles gab gegenüber dem Sender an, selbst bereits von Wettbetrügern angesprochen worden zu sein: Über Social Media seien ihm zuletzt zwischen 3.000 und 5.000 Euro angeboten worden, wenn er drei Spiele in einem Satz manipuliert. Nikles sei aber nicht darauf eingegangen, stattdessen habe er den Vorfall den zuständigen Behörden gemeldet, wie es von TIU und vom Tennis-Antikorruptions-Programm (TACP) vorgeschrieben wird.

Doch nicht nur im unteren Ranking, sondern auch bei großen Turnieren wird betrogen. So zum Beispiel bei den French Open im Oktober, wo bei einem Frauen-Doppel Hundertausende Euros auf das fünfte Spiel im zweiten Satz gesetzt wurden. Die französische Polizei ermittelt in diesem Fall immer noch, unterstützt wird sie von Europol – das Polizeidezernat der EU hatte erst im August 2020 vor illegalen Spielabsprachen gewarnt und Tennis als Problemsport charakterisiert. Nachdem im Jahr 2016 im Tennis lediglich 11 Spiele manipuliert wurden, sei die Zahl im Jahr 2017 auf schätzungsweise 236 gestiegen, wobei dieser Wert bis 2018 wieder leicht auf 191 gesunken ist.

Viele Sperren innerhalb weniger Monate

Binnen letzter Monate kam es zu etlichen Sperren der TIU gegen Tennisprofis aufgrund von Matchfixings, unter anderem zu lebenslangen, bzw. 10-jährigen Sperren der beiden bulgarischen Tennisbrüder Karen und Yuri Khachatryan. Auch die bulgarische Tennisspielerin Aleksandrina Naydenova, welche Gewinnerin von 14 Titeln der International Tennis Federation (ITF) ist und Platz 89 im ITF-Einzelranking belegt, wurde gesperrt und erhielt eine Geldstrafe von 150.000 Dollar.

Vor wenigen Tagen wurden weitere Sperren der TIU, die sich seit Jahresanfang International Tennis Integrity Agency (ITIA) nennt, bekanntgegeben. So kam es zu einer dreijährigen Sperre und einer Geldstrafe von 3.000 Dollar gegen den Ägypter Mostafa Hatem. Dieser bekannte sich schuldig, andere Spieler beeinflusst zu haben und sein Wissen über verdächtige Aktivitäten nicht an TIU und die Polizei weitergeleitet zu haben.

Zudem erhielt Temur Ismailov aus Usbekistan eine Sperre, da er zugegeben hatte, in den Jahren 2014, 2015 und 2019 in drei Spielabsprachen verwickelt gewesen zu sein. Parallel dazu wurde die Slowakin Dagmara Baskova für 12 Jahre gesperrt und mit einer Geldstrafe von 40.000 Euro belegt. Ihr wurden fünf Fälle von Matchfixings nachgewiesen. Ab 2022 wird TIU auch für Doping zuständig sein. Ob die eskalierende Situation bis dahin unter Kontrolle ist, bleibt abzuwarten.

Auch ein Offizieller war jüngst von einer Sperre betroffen: Der französische Linienrichter David Rocher erhielt eine 18-monatige Sperre sowie eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Dollar. Grund ist, dass der Offizielle mehrfach auf den Ausgang von Tennisspielen gewettet hatte, was die Regeln des TACP ebenfalls klar verbieten. Insgesamt hatte Rocher zwischen Januar und Oktober 2019 11 Wetten platziert, womit er eindeutig gegen das Antikorruptions-Programm verstoßen hat.

Ist die Kontrollinstanz machtlos?

Angesichts des boomenden globalen Wettmarktes, der sich laut Europol auf 1,6 Billionen Euro beläuft, erscheint es schwierig die Situation zu kontrollieren. Denn neben Fußball wittern die Kriminellen besonders im Tennis die größten finanziellen Chancen. TIU, stationiert in London, scheint momentan gegen Windmühlen zu arbeiten. Längst kritisieren Experten, dass die Instanz ihrer Aufgabe nicht gerecht werden kann.

Hiernach sollen schlichtweg zu viele Spieler in die Matchfixings involviert sein. Es wäre ein Desaster für den Tennissport, wenn derartig viele Spieler gesperrt würden, so ein Experte im ZDF-Interview. Johan Nikles bekundete hingegen, dass TIU vermehrt auf größere Turniere blicken müsste, anstatt zu versuchen den Sport zu schützen, indem lediglich zahlreiche unbekannte Spieler suspendiert werden. Europol betonte stattdessen, dass die uneinheitlichen Gesetze in Europa für die Problematik verantwortlich sind.

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