Sportradar und Genius Sports: Kampf um Datenrechte

Die beiden weltweit führenden Sportdatendienstleister Sportradar (Schweiz) und Genius Sports (UK) befinden sich derweil in einem rechtlichen Disput über die Vergabe von Sublizenzen in Großbritannien. Laut Medienberichten hat Sportradar seinem englischen Hauptkonkurrenten sogar mit einer Klage gedroht, sofern dieser seine Exklusivrechte an der Premier League, der englischen Football League und der schottischen Premier League nicht über Sublizenzen teilt. Hier die wichtigsten Infos zum Geschehen.

Ein Foul während eines Premier League-Spiels.

In der englischen Premier League wird zurzeit nicht nur auf dem Feld mit harten Bandagen gespielt. (©Wikipedia)

Vorwürfe laut englischen Medien begründet

Das im schweizerischen St. Gallen stationierte Sportdaten-Unternehmen Sportradar wirft seinem Londoner Konkurrenten Genius Sports Verstöße gegen die britischen und europäischen Wettbewerbsregeln vor. Demnach soll Genius Sports die „Konkurrenz blockieren“ indem es seine britischen Sportdatenrechte nicht über Sublizenzen mit Sportradar teilt. Das Unternehmen würde es Sportradar somit indirekt verbieten, eigene Sportdaten zu erheben, um sich am britischen Markt beteiligen zu können. Laut Berichten der englischen Tageszeitung The Times könnten die Vorwürfe begründet sein. Indessen hat Sportradar sogar mit einer Klage gegen Genius Sports gedroht.

Hintergrund des Disputs ist ein fünf-jähriges exklusives Abkommen zwischen dem Unternehmen Genius Sports und der ebenfalls in London ansässigen Datenfirma Football DataCo. Letztere erhebt seit 2001 die Live-Daten der britischen Fußball-Topligen (Premier League, EFL und SPFL) und stellt diese Drittanbietern wie Genius Sports zwecks Vermarktung zur Verfügung. Das Abkommen mit Genius wurde im Mai beschlossen und gilt bereits für die laufende Saison 2019/20.

Im Rahmen eines „mehrjährigen, transformativen Vertrags“ avancierte die Genius-Sportwettabteilung „Betgenius“ somit zum exklusiven britischen Datenpartner sowie zum offiziellen Lieferanten von Live-Daten für den globalen Sportwettsektor. Das Vertragsvolumen umfasst dabei ganze 4.000 Spiele pro Saison. Genius-CEO Mark Locke begrüßte den Deal in diesem Sinne mit den Worten:

“Von Football DataCo als exklusiver, offizieller Datenpartner ausgewählt worden zu sein, ist für unser Unternehmen von grundlegender Bedeutung und stärkt unsere Position als weltweit führender Anbieter von Technologien zur Erfassung und Verteilung von Sportdaten. Die Partnerschaft bestätigt unser Engagement, wir wollen sicherstellen, dass der Sport im Zentrum eines nachhaltigen Sportwett-Ökosystems verbleibt, was für alle Beteiligten fair und lohnend ist.”

„Aggressive Attacke“ auf Konkurrenz

Wie sich aktuell zeigt, scheint sich die großspurige Partnerschaft jedoch nicht für alle Marktteilnehmer „fair und lohnend“ zu gestalten: Laut Sportradar sei die Kooperation „wettbewerbswidrig“, das Unternehmen vermutet hinter dem Deal eine systematische Ausschaltung der ausländischen Konkurrenz. In einem Brief an die örtlichen Medien ist sogar davon die Rede, dass Football DataCo und Genius Sports versuchen, jedes andere Unternehmen „aggressiv zu attackieren“, das versucht, Live-Spieldaten in britischen Stadien zu sammeln.

Während Sportradar ausgebotet wird, wird es demnach nur noch Genius erlaubt, Daten an „Hunderte von lizenzierten Sportwettbetreibern auf der ganzen Welt zu verteilen“. Jeder andere Partner ist obendrein dazu verpflichtet worden, eine Unterlizenzvereinbarung von Genius Sports einzuholen, bevor offizielle Daten aus britischen Fußballstadien vermarktet werden dürfen.

Sportradar sei bereit hierfür eine faire Zugangsgebühr zu zahlen, erklärte jedoch auch, dass die derzeitigen Vereinbarungen „gegen das britische und europäische Wettbewerbsrecht verstoßen“ und dass es unter den gegebenen Voraussetzungen „keinen fairen Wettbewerb in Bezug auf Preis, Produktauswahl, Geschwindigkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Innovation geben kann“.

Wie das Newsportal Sportbusiness.com berichtet, sei Genius zwar „offen für Diskussionen mit Drittparteien“, bislang aber nicht gewillt, eine Sublizenz an Sportradar zu vergeben. Den Aussagen eines Insiders zufolge sucht Genius an dieser Stelle eher die juristische Konfrontation. Diesbezüglich heißt es im Zitat:

“Die Tätigkeit dieser nicht autorisierten Sammler (Sportradar) entzieht dem Sport Geld, ohne etwas dafür zurückzugeben. Genius Sports ist ein Partner des Sports und glaubt fest an das Recht, sein geistiges Eigentum zu schützen, um eine angemessene finanzielle Rendite aus Wetten auf ihre Wettbewerbe zu erhalten.”

Kopf an Kopf-Rennen der Marktriesen

Der harte Konkurrenzkampf zwischen Sportradar und Genius Sports spiegelt auf kleinerer Ebene auch den derzeitigen globalen Wettkampf zwischen den beiden Unternehmen wider. Durch die weltweite Liberalisierung von Sportwetten – vor allem in den USA – befinden sich beide Firmen derweil im internationalen Expansionsprozess und teilen die Märkte unter sich auf. Innerhalb der letzten Monate konnten beide Unternehmen eine Reihe verschiedener Sportdatenschutz-Abkommen in diversen Sportbereichen abschließen.

Erst im August gab Sportradar in diesem Kontext einen Deal mit der erfolgreichsten US-amerikanischen Profisportliga NFL (National Football Association) bekannt, außerdem wurde schon im März ein Abkommen mit der MLB (Major League Baseball) unter Dach und Fach gebracht. Abseits des europäischen Spitzenfußballs hat Sportradar außerdem Deals mit der RFL und USL bestätigt. Die schweizerischen Datenexperten dürfen damit sowohl im englischen Rugby als auch in der zweithöchsten nordamerikanischen Fußball-Spielklasse Präsenz zeigen.

Dagegen punktete Genius Sports im letzten Juni durch ein Integritätsabkommen mit der LPGA, der höchsten US-amerikanischen Damengolf-Liga. Im Vorfeld wurde zudem ein Deal mit dem männlichen Äquivalent PGA (Professional Golf Association) begründet sowie ein Deal mit der italienischen Serie A abgeschlossen.

Dass sich die beiden Konkurrenten jedoch auch ergänzen können, zeigt sich zurzeit in Deutschland: Seit August unterstützen Sportradar und Genius den deutschen Fußball, gemeinsam will man Spielbetrug und Wettmanipulation den Kampf ansagen. Genius Sports wurde demgemäß zum offiziellen Partner des DFB (Deutscher Fußball-Bund) ernannt, während Sportradar ein Abkommen mit dem Dachverband DFL (Deutsche Fußball-Liga) unterzeichnet hat. Hierbei handelt es sich um ein operatives Organ des DFB, das die Bundesliga und die zweite Bundeliga der Männer vertritt. Ob eine ähnliche Überlappung auch in England arrangiert werden kann, bleibt vorerst abzuwarten.

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