Schleswig-Holstein steigt aus: Glücksspielstaatsvertrag am Ende?

Es ist offiziell: Die neue Koalition aus CDU, FDP und GRÜNEN wird die überarbeitete Fassung des Glücksspielstaatsvertrages nicht ratifizieren. Stattdessen plant die Regierung in Kiel ein neues Gesetzeswerk, das europarechtliche Bedenken ausräumen soll. Damit knüpft das nördlichste Bundesland an den Sonderweg an, den man bereits in den Jahren 2011 bis 2013 beschritten hatte. Weitere Länder wollen dem Beispiel folgen.

Heiner Garg (FDP), Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) und Daniel Günther (CDU)

Von links nach rechts: Heiner Garg (FDP), Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) und Daniel Günther (CDU) einigen sich auf den Ausstieg aus dem Glücksspielstaatsvertrag. (Bildquelle)

Erst im März hatten die Ministerpräsidenten der Länder versucht, den Staatsvertrag zu retten und zumindest bei Sportwetten nach fünf Jahren Verzögerung endlich zur Lizenzvergabe zu schreiten. Doch auch die neue Fassung ging drängenden Fragen wie der Regulierung von Online Casinos aus dem Weg. Das Ziel der Ministerpräsidentenkonferenz sei schlicht die Vermeidung eines Strafverfahrens aus Brüssel, zürnten die Kritiker. Mit diesem Minimalziel gibt sich die neue „Jamaikakoalition“ aus Kiel nicht zufrieden. Im Land zwischen den Meeren galt nämlich bereits von 2011 bis 2013 ein fortschrittlicheres Regelwerk. Schon damals vergab die Schwarz-Gelbe Koalition Lizenzen an Buchmacher und auch Online Casinos, als einziges Land der Republik. Der europäische Gerichtshof hatte diesen Sonderweg 2014 für rechtmäßig befunden und dem Gesetz auch inhaltliche Eignung bescheinigt. Erst nach einem Regierungswechsel war Schleswig-Holstein Anfang 2013 dem Staatsvertrag beigetreten.

„Die Koalition wird dem zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag im Parlament nicht zustimmen. Schleswig-Holstein wird den Glücksspielstaatsvertrag kündigen und mit anderen Ländern (z.B. Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen) nach einer tragfähigen, europarechtskonformen Lösung für den gesamten Bereich der Sportwetten einschließlich des Online Casinospiels sowie des Pokerspiels suchen, die sich an den Regelungen des bis 2013 gültigen Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein orientiert.“ Auszug aus dem Koalitionsvertrag

Der Staatsvertrag steht damit vor seinem endgültigen Aus. Die Regulierung, in der aktuellen Fassung 2012 von den Ländern auf den Weg gebracht, war stets umstritten. Die Aufrechterhaltung des staatlichen Lotteriemonopols und die Vorgaben zu Sportwettlizenzen, die bis heute nicht erteilt wurden, führten zu zahlreichen Gerichtsverfahren. Auf nationaler und europäischer Ebene mahnte die Rechtsprechung mehrfach Änderungen an. Die EU kündigte gar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an, da die Rechtslage der europäischen Wettbewerbsfreiheit entgegenstehe. Auch Industrieverbände forderten regelmäßig einen Neuanfang in der Glücksspielgesetzgebung. Der Deutsche Sportwettenverband drängte auf Lizenzvergabe und auch die staatlichen Lotterien sahen sich durch Vertriebs- und Werbebeschränkungen unter Druck.

Chance für einen Neuanfang?

Mit der erneuten Übernahme der Regierungsverantwortung seitens FDP und CDU kehrt auch das Projekt der Glücksspielregulierung zurück auf die Agenda. Und diesmal wird sich das Ausscheren wohl nicht auf Schleswig-Holstein beschränken. Laut Koalitionsvertrag strebt man eine Zusammenarbeit mit den Regierungen von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz an. Es wird also keinen Alleingang geben, sondern möglicherweise einen Neustart der gesamtdeutschen Regulierungsbemühungen. Diese erscheint angesichts der zunehmenden Verbreitung des Online Glücksspiels bei gleichzeitigem Fehlen eines sicheren Rechtsrahmens dringend geboten.

Aus den Verhandlungen der „abtrünnigen“ Bundesländer könnte am Ende auch ein neuer Staatsvertrag entstehen – inklusive Lizenzen für Online Casinos, Pokerräume und Buchmacher. Dies wäre sowohl für den Gesetzgeber als auch für die Kunden von Vorteil. Konzessionen erlauben Einflussnahme auf den Spielerschutz durch strenge Vergabekriterien als auch die Erhebung von Steuern, die die Unternehmen bislang überwiegend im Ausland abführen. Vor allem würde ein neuer Staatsvertrag Rechtssicherheit und Transparenz für die Kunden schaffen – unterschiedliche Ländergesetze im digitalen Sektor sind kaum nachvollziehbar. Es wäre also zu hoffen, dass sich möglichst viele Länder dem Vorhaben Schleswig-Holsteins anschließen und sich auf eine zeitgemäße Regulierung einigen können. Man darf jedenfalls gespannt sein, ob die chaotische Geschichte deutscher Glücksspielgesetzgebung bald ihr Ende finden wird.

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