Sarah Harrison: Eindrucksvolle Mahnung der UKGC Chefin zum Abschied

Nach zwei Jahren an der Spitze der UK Gambling Commission wechselt Sarah Harrison ins Energieministerium. Trotz der Kürze ihrer Amtsführung: Mit ihrem Fokus auf die Stärkung der Rechte von Verbrauchern hat Harrison bleibenden Eindruck in der Branche hinterlassen. Einen ihrer letzten Auftritte als Leiterin der Regulierungsbehörde nutzte sie nun für ein persönliches Resümee.

Im Vorfeld der Glücksspielmesse ICE Totally Gaming trat Harrison am Montag bei der International Casino Conference in London vor Branchenvertern auf. Der Fokus ihrer Rede, wie auch ihrer Amtsführung, lag auf Möglichkeiten der Stärkung von Fairness und Sicherheit im britischen Glücksspiel. Doch die Arbeit ihrer Behörde wirkt weit über die Grenzen Englands hinaus – der außerordentlich umkämpfte und streng regulierte UK-Markt darf als Prototyp für den derzeitigen und zukünftigen Zustand des internationalen Geldspiels gelten. Und Amtsleiterin Harrison als „Punter‘s Champion“, als unnachgiebige Verfechterin von Kundeninteressen.

Harrison benannte erneut die Probleme der Branche: Eine unzureichende finanzielle Beteiligung der Industrie an Programmen zur Bekämpfung von Spielsucht. So stünden zur Behandlung von gefährdeten oder süchtigen Spielern lediglich 3,50 Pfund pro Person zur Verfügung – dies sei ein international miserabler Wert. Sie glaube nicht, dass die derzeitigen freiwilligen Zuwendungen zukünftsfähig seien, es bedürfe einer verpflichtenden Abgabe, die sich am Bedarf zu orientieren habe.

Von Milde zum Abschied keine Spur

Weiterhin bemängelte sie einen zuweilen „extrem schlechten Kundenservice“, der bei der Nichtbeantwortung von Anfragen anfange und in undurchsichtigen Geschäftsbedingungen gipfele. Exemplarisch verwies sie auf den Zustand der AGB mancher Online Casinos und ihren Bonussystemen. Ihr sei völlig unklar, inwiefern eine solche Gängelung von Kunden als tragfähige Geschäftsgrundlage angesehen werden könne. Es sei im ureigensten Interesse der Industrie, Kunden durch Fairness langfristig zu binden, anstatt sie zu verärgern und zu vertreiben. Am Ende müsse man mehr und mehr Geld in die Werbung neuer Kunden investieren und schade dazu dem Ruf einer ganzen Industrie.

Diese Probleme gründeten laut Harrison in der Kurzsichtigkeit einiger Branchenvertreter. Ihnen ginge es immer noch hauptsächlich um kurzfristige Erfolge, nicht um die Schaffung eines nachhaltig erfolgreichen Sektors. In einer dem Glücksspiel gegenüber kritischer werdenden Gesellschaft riskiere man so den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg und letztendlich auch Arbeitsplätze. Als Beispiel nannte sie die Auseinandersetzungen um die Zukunft der FOBTs, Spielautomaten mit besonders hohem Suchtpotenzial. Der Stil der Debatte sei „inakzeptabel“ gewesen, man habe sich „auf einem Spielplatz“ gewähnt.

Überkommene Strukturen in der Industrie

Als tieferliegende Ursache für viele der aktuellen Probleme benannte Harrison die fehlende Diversität in der Branche. Zwar gebe es erfolgreiche Frauen im Gamblingsektor, sie spielte unterem auf Denise Coates von bet365 an, das würde beim Besuch einer Messe wie der ICE Totally Gaming allerdings kaum auffallen:

Tatsächlich ist eine Frau aus der Spielindustrie Großbritanniens bestbezahlte Chefin, nicht bezahlter weiblicher CEO, sondern bestbezahlter CEO. Doch das würde man nicht denken, wenn man über die Messe läuft. Stattdessen sieht man Männer in teuren maßgeschneiderten Anzügen, die ihre Firmen repräsentieren, während von ihren Kolleginnen erwartet wird, nicht mehr als einen Badeanzug zu tragen. Das muss aufhören – und zwar jetzt!Sarah Harrison, CEO der UKGC

Doch es ging Harrison nicht allein um die Geschlechterrollen, sondern grundsätzlich um vielfältigere Perspektiven in dem Sektor. Der derzeitige Zustand reflektiere die gesellschaftliche Realität nicht mehr, dadurch mangele es am Ende auch am Verständnis für die Kundschaft und ihre Bedürfnisse. Die Rolle der Frauen als schmuckes Beiwerk bei der Präsentation neuer Produkte werfe nur ein deutliches Schlaglicht auf das aus der Zeit gefallene Selbstverständnis und Image der Branche.

Ideen für die Zukunft

Die Ende Februar aus dem Amt scheidende Harrison gilt als Motor einer strengeren Glücksspielaufsicht in Großbritannien, die auch vor dem Einsatz gröberer Geschütze nicht zurückschreckte. In ihrer Abschiedsrede (PDF) hob sie jedoch die Arbeit anderer hervor: Ihre Kollegen bei der UKGC ebenso wie leidenschaftliche und aufgeschlossene Vertreter der Industrie, die ähnlich wie sie an ernsthaften Verbesserungen interessiert gewesen seien. Sie habe nie „Regulierung aus dem Elfenbeinturm“ betreiben wollen, sondern den Austausch mit allen Beteiligten gesucht. Wohlwollend hob sie die Arbeit von Organisationen wie „Justice for Punters“ hervor, die sich für die Rechte von Wettspielern bei Disputen mit Buchmachern einsetzen.

Abschließend verwies Harrison auf die unter ihrer Ägide erarbeitete Dreijahresstrategie der UKGC – in gewisser Weise ihr politisches Erbe. Diese fokussiere die zukünftige Arbeit der Behörde entlang der Leitlinien der Prävention von Schäden durch Glücksspiel, des Schutzes der Kundeninteressen und der Erzielung von Erträgen zum Gemeinwohl durch die Lotterien. Man wolle Probleme mit dem Glücksspiel zukünftig nicht mehr in Bezug auf spielsüchtige Personen, sondern auch Produkte und das Spielumfeld einbeziehen. Es gehe darum bereits auf der Produktebene zu prüfen, inwieweit die Spiele selbst zur Prävention von Spielsucht taugen. In Bezug auf das Umfeld gehe es um Anreizsysteme und das Marketing. In Zukunft wolle sich die Behörde vorführen lassen, inwieweit diese Maßnahmen dem Spielerschutz genügen, man werde sich nicht länger auf Absichtserklärungen der Anbieter verlassen.

Langfristig wolle die UKGC allerdings weniger direkt für Veränderungen in der Branche sorgen. Das Ziel sei die Ermächtigung der Kunden, aufgrund transparenter Informationen bessere Entscheidungen treffen zu können. Dazu könnten beispielsweise die Gewinnchancen einzelner Produkte angezeigt, oder Beschwerden veröffentlicht werden. Wer sich also von Sarah Harrison milde Worte zum Abschied gewünscht hatte, wurde einigermaßen enttäuscht. Die Art ihres Abschieds entsprach ihrer Amtsführung – mit großer Ernsthaftigkeit, Furchtlosigkeit und einer klaren Verortung auf der Seite der Kunden. Noch ist ihre Nachfolge nicht geklärt, doch durch ihre langfristige Strategie steht die britische Glücksspielindustrie auch ohne die kämpferische Chefreguliererin im Amt vor einer herausfordernden Zukunft.

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