Phil Ivey verliert Prozess um Baccarat-Gewinne in Millionenhöhe

Nach fünf Jahren endet die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Phil Ivey und dem Crockfords Casino zum Nachteil des Amerikaners. Es ging um beinahe 9 Millionen Euro, die Ivey laut Urteil des Supreme Court zu Unrecht gewann. Wir werfen einen Rückblick auf den spektakulären Fall.

Am 20. August 2012 betritt ein besonderer Gast den edlen Crockfords Club in London. Es ist der damals 35jährige Phil Ivey, der vielleicht beste Pokerspieler der Welt. Er wird von der Chinesin Cheung Yin Sun begleitet. Im altehrwürdigen Crockfords Club, gegründet 1828, ist der Prominente ein gerngesehener Gast. Der Besuch ist arrangiert, Ivey möchte zusammen mit Yin Sun Baccarat Punto Banco spielen. An den Auftritt hat er einige Bedingungen geknüpft: Er möchte mit Karten der Firma Gemaco spielen und der Geber solle Mandarin verstehen, damit auch Yin Sun kommunizieren kann. Crockfords erfüllt ihm diese Sonderwünsche gerne. Schließlich ist Ivey nicht nur ein prestigeträchtiger Pokerstar, sondern im Casinojargon ein sogenannter Wal, der um große Summen spielt. Er hat eine Million Dollar an das Casino transferieren lassen, um die er zu spielen gedenkt. Zwar bietet Punto Banco nur einen geringen Hausvorteil, doch ein Profit für das Casino ist dadurch wahrscheinlich.

Doch es kommt anders – und es wird teuer für Crockfords. Denn Phil Ivey hat nicht die Absicht, an Zufall oder Hausvorteil zu scheitern. Im Gegenteil, er will von dem Casino dasselbe wie von seinen Gegnern am Pokertisch – Geld. Er hat eine Strategie vorbereitet.

So knackten sie die Bank

Ivey und seine Partnerin beginnen das Spiel langsam, mit vorsichtigen Einsätzen. Dabei halten sich Gewinn und Verlust zunächst die Waage, was bei Punto Banco den Erwartungen entspricht. Immer wieder bitten sie den Geber, in Mandarin, gespielte und offengelegte hohe Karten andersherum zurück in den Stapel zu legen. Man sei abergläubisch, was unter Glücksspielern nicht ungewöhnlich ist. Die Karten bleiben dabei ohnehin verdeckt, der Croupier befolgt die Wünsche der Gäste.

Symbolbild Kartenrücken

Ivey und seine Partnerin nutzten feinste Unterschiede der Rückseiten zu ihrem Vorteil.

Sobald die Kartendecks durchgespielt sind, werden sie maschinell gemischt. Ihre Ausrichtung, nach den Wünschen der Spieler geordnet, bleibt dabei erhalten. An diesem Punkt kommen die verwendeten Karten und ein besonderes Talent von Cheung Yun Sin ins Spiel. Die Rückseiten von Spielkarten im Casino sind nicht absolut identisch. Es gibt feinste Unterschiede in der Musterung, die dem Herstellungsprozess geschuldet sind. Für das ungeschulte Auge sind die Abweichungen im Millimeterbereich nicht erkennbar, daher ist den Herstellern eine gewisse Fehlermarge gestattet.

Doch die Chinesin kann diese Fehler sehen und sie weiß nun, dass die verdrehten Karten im Stapel hohe Werte (6-7-8-9) haben. Diese Technik wird als „edge sorting“ (Kantensortierung) bezeichnet und ist keine neue Erfindung. Das Deck liegt nun in ihrer Wahrnehmung mehr oder weniger offen vor ihnen. Das ist bei dieser Art von Baccarat besonders vorteilhaft, denn die Spieler müssen nicht auf eigene gute Karten warten. Es geht alleine darum vorherzusagen, welche Hand aus zwei oder drei Karten am Ende näher an der Summe Neun ist. Ob es die Hand des Spielers oder des Gebers ist, ist nicht wichtig.

Ivey beginnt daraufhin anhand der Anweisungen seiner Partnerin die maximal erlaubten Einsätze zu wetten. Der Plan funktioniert: Am Ende des Abends sind die beiden deutlich im Plus. Und das Casino scheint zu diesem Zeitpunkt nichts gemerkt zu haben. Denn das Crockfords lässt die beiden das Spektakel am nächsten Abend zu den gleichen Bedingungen wiederholen – umgerechnet 9 Millionen Euro gewinnen Yun Sin und Ivey.

Das Casino zahlt nicht aus

Ivey und das Crockfords hatten vereinbart, dass ihm das Geld in die USA überwiesen werden würde. Er erhielt allerdings lediglich die Million zurück, die er eingezahlt hatte. Das Casino warf ihm vor, geschummelt und daher keinen Anspruch auf den Gewinn zu haben. Der Pokerprofi klagte auf die Herausgabe der Summe. Bei den Anhörungen vor Gericht im Jahr 2014 herrschte überraschende Einigkeit bezüglich der von Ivey verwendeten Strategie. Er gab unumwunden zu, sich durch „edge sorting“ einen Vorteil verschafft zu haben. Dies sei eine legitime Strategie im Glücksspiel, das Casino habe schlicht seine Fähigkeiten unterschätzt. Das Crockfords argumentierte, Ivey habe in einer Weise in den Spielverlauf eingegriffen, die nur als Schummeln bezeichnet werden könne.

Bereits die unteren Gerichte im britischen Rechtssystem urteilten zugunsten des Casinos, ließen dem Pokerprofi aber den Weg durch die Instanzen offen. Strittig war vor allem, ob Ivey betrogen habe. Schließlich hatte er seine Strategie zugegeben und das Casino hatte seine Wünsche freiwillig erfüllt. Er berief sich darauf, ehrlich gewesen zu sein und dass es „ehrliches Schummeln“ kaum geben könne. Er hatte auch in keiner Weise physisch in den Verlauf eingegriffen. Nun ist mit der einstimmigen Entscheidung des Supreme Court allerdings ein unanfechtbares Urteil zu seinem Nachteil gefallen, das Casino muss nicht zahlen.

Phil Ivey am Pokertisch

Phil Ivey hat mit Poker Millionen verdient.

Ich habe nicht mehr getan, als die Fehler des Crockfords auszunutzen, sich gegen einen Spieler mit meinen Fähigkeiten zu schützen. Das Urteil des Supreme Court gegen mich ergibt keinen Sinn. Als ich im Crockfords spielte, glaubte ich, dass edge-sorting eine legale Strategie sei. Daran glaube ich heute stärker als je zuvor.Phil Ivey in einem Statement zum Urteil

Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass Unehrlichkeit keine Voraussetzung zum Schummeln sei. Laut dem Gambling Act von 2005 reiche es, in erheblicher Weise den Spielverlauf zu beeinflussen. Es sei auch unerheblich, ob man dadurch seine Chance verbessere oder gewinne. Ivey habe nicht nur beobachtet, sondern durch die Aufforderung zum Umdrehen der Karten aktiv eingegriffen. Dass dies aus Aberglaube geschehe, sei eine Irreführung gewesen. Richter Lord Hughes führte aus:

Es war ein sorgfältig geplanter Coup. Hätte er sich physischen Zugang zu den Karten verschafft und sie selbst sortiert, hätte niemand Zweifel daran, dass er geschummelt hat. Er hat dasselbe Ergebnis erzielt, indem er den Geber davon überzeugte, dass sein Handeln irrelevant wäre. In einem Spiel, dass auf der zufälligen Herausgabe unbekannter Karten basiert, ist das ohne Frage Schummeln. Dass es clever und geschickt war, und bemerkenswert scharfe Augen erfordert, ändert nichts an dieser Tatsache.Lord Hughes, Richter am Supreme Court

Damit geht einer der spannendsten Casinokrimis der letzten Jahre zu Ende. Viele Kommentatoren hatten sich hinter Ivey gestellt und das Duell gegen das mächtige Casino zu einem Kampf David gegen Goliath stilisiert. Der millionenschwere Ivey gibt vielleicht nicht den besten Underdog ab, dennoch respektieren viele das Selbstbewusstsein, mit dem er sein Vorgehen verteidigte. Und ein wenig Hoffnung auf ein „gutes Ende“ besteht noch. Zwar ist er in England gescheitert, aber er und Yin Sun waren mit ihrer Strategie auch in den USA aktiv. Das Borgata zahlte ihnen ihre Millionengewinne im Baccarat sogar aus. Doch auch dieses Casino möchte sein Geld gerne zurückhaben, der Prozess läuft noch.

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