Pathologische Computerspielsucht verändert Gehirnstruktur

Wer unter einer pathologischen Computerspielsucht leidet, zeigen starke Parallelen zu Menschen, die drogenabhängig sind. Nach Informationen der Pharmazeutischen Zeitung belegen neue Studien, dass bei beiden Personengruppen, also die der Computerspielsüchtigen sowie die der Drogenabhängigen, bestimmte Hirnareale Veränderungen aufweisen. Diese sind jedoch nicht unumkehrbar. Sie betreffen zwanghafte Verhaltensmuster und vor allem das Belohnungszentrum im menschlichen Gehirn. Es sind Neuigkeiten, die aufmerksam machen sollten. Gerade Eltern sollten aufhorchen, denn besonders junge Menschen, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden, sind gefährdet.

Ein Mann hält sich den Kopf vor Schmerzen.

Veränderungen am Gehirn sind reversibel. ©geralt/Pixabay

Computerspielsucht ist als Krankheit anerkannt

Die WHO hat vor Kurzem entschieden, die Computerspielsucht in die Rubrik der Verhaltenssüchte mit aufgenommen wird. Zu Januar 2022 wurde sie damit in den in Kraft tretenden Diagnosekatalog ICD-11 aufgenommen, also in die internationale Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Dieser Entscheidung waren langjährige Diskussionen vorausgegangen. Besonders die Gaming-Branche hatte Sorge geäußert, dass Spieler und Spielerinnen so pathologisiert würden, ohne tatsächlich Suchterkrankungen zu haben. Diese Bedenken scheinen jedoch unbegründet.

Tatsächlich ist nur ein kleiner Anteil süchtig

Nur drei Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind als süchtig einzuordnen, zumindest laut Professor für Psychologie, Dr. Matthias Brand, in seinem jüngst veröffentlichten Beitrag in der Zeitschrift Science. Was also unterscheidet pathologische Gamer und Gamerinnen von jenen, die das Internet und zahlreiche Games konsumieren, ohne eine Abhängigkeit zu entwickeln? Das ist die Frage, die nun alle umtreibt. Die Zahl der Menschen in der Bevölkerung, die digitale Medien nutzen, steht natürlich in keinem Verhältnis.

Genetische Faktoren spielen eine Rolle

Forscher und Forscherinnen beschäftigen sich schon seit längerer Zeit mit der Frage nach biologisch fassbaren Vorbedingungen von Suchterkrankungen sowie der Resilienz von Menschen. Studien weisen wiederholt darauf hin, dass genetische Faktoren eine Rolle in der Entwicklung von Suchterkrankungen spielen. Aber auch Umwelteinflüsse sind nicht zu vernachlässigen in der Erforschung davon, wieso Menschen abhängig werden. Wenn beide Aspekte zusammenkommen, wächst das Suchtrisiko ins Unermessliche. Darauf weisen Studienergebnisse eindeutig hin.

Alkoholsucht liegt in der Familie

Das Forscherteam von Dr. Kenneth Kendler von Universitäten in Richmond und Malmö kam bei einer Studie in Schweden zu dem Schluss, dass bei Alkoholsucht oft auch eine familiäre Disposition eine Rolle spielt. Dafür analysierten Forscher und Forscherinnen die Daten von circa 18.000 adoptierten Kindern, von 172.000 Personen mit einem fehlenden Elternteil im Haushalt und von 108.000 Menschen mit einem Stiefelternteil. Knapp 10 Prozent der Adoptierten wurden auffällig, weil sie ein Alkoholproblem entwickelten.

Suchterkrankungen der Eltern beleuchtet

Interessant dabei war das Ergebnis, dass 16 Prozent der biologischen Eltern ebenfalls mit Alkoholsucht zu kämpfen hatten, jedoch nur drei Prozent unter den Adoptiveltern. Wenn ein Erzeuger abhängig ist, gibt es ein für adoptierte Kinder um 46 Prozent höheres Risiko, ebenfalls in die Falle der Sucht zu geraten, in diesem Studienbeispiel Alkohol. Um 40 Prozent stieg das Risiko, wenn auch die Adoptiveltern mit Suchtproblematiken zu kämpfen hatten.

Hirnscans weisen Unterschiede auf

Nach Aussagen von Dr. Brand zeigen Hirnscans, die mithilfe von MRTs – also funktioneller Magnetresonanztomografien – erstellt wurden, Unterschiede bei pathologischen Gamern auf. Diese ähnelten dem Bildmaterial, wie es beispielsweise auch bei Menschen mit einer stoffgebundenen Suchterkrankungen aufgenommen wurde, also bei einer Alkohol- oder Drogensucht. Dabei ist klar geworden, dass das Gleichgewicht aus der Balance gekommen ist. Die Signale, die eine Abhängigkeit unterstützen und treiben, vermischen sich mit denen, die für Handlungen verantwortlich sind.

Die Huhn-oder-Ei-Frage

Noch unklar ist die Frage danach, was vorher da war, wie bei der Überlegung, ob zuerst das Huhn existierte oder das Ei existierte. Sind die Veränderungen, die in Hirnscans beobachtet werden konnten, beim pathologischen Spielen entstanden? Oder sind sie bereits vorher vorhanden gewesen und haben erst zum Spielverhalten geführt? Waren sie schon existent, machen sie Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen besonders gefährdet für Suchterkrankungen aller Natur. Dies ist auch für die Therapie wichtig.

Computerspielsucht ist behandelbar

Dr. Brand erklärt aber, dass es wichtig ist, zu wissen, dass Menschen mit einer Computerspielsucht sich nicht mit diesem Schicksal abfinden müssen, ungeachtet der Hirnveränderungen. Wer abhängig ist, kann sich behandeln lassen. Wenn die Sucht therapiert und dann überwunden wird, normalisiert sich auch das Gehirn wieder. Es ist geradezu ein Wunder der Natur, dass es lernfähig ist und alle Veränderungen sowie Schäden durch Süchte damit reversibel sind. Besonders junge Menschen in der Suchtfalle können aufatmen.

Krankenkassen übernehmen Kosten

Die Computerspielsucht kann beispielsweise mithilfe einer Verhaltenstherapie bekämpft werden. In einigen deutschen Kliniken gibt es hierfür inzwischen auch spezielle Angebote. Seit der Anerkennung als Krankheit im Sinne des ICDs sind auch hierzulande die Krankenkassen in der Pflicht, die Kosten für therapeutische Angebote zu übernehmen. Natürlich gibt es noch andere Probleme wie zum Beispiel die Knappheit bei Therapieplätzen. Doch so kann Menschen geholfen werden, die mit einer Suchterkrankung rund um Gaming zu kämpfen haben.

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