Offiziell: Schleswig-­Holstein kippt Glücks­spiel­staats­vertrag

Der Landtag in Schleswig-Holstein hat entschieden: Man wird den Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form nicht annehmen. Die Fraktionen von CDU, Die Grünen, FDP und der SSW hatten einen entsprechenden Antrag eingereicht. Damit dürfte der Vertrag zwischen den 16 Bundesländern am Ende sein. Wie geht es weiter?

Schon bei den Jamaika-Koaltionsverhandlungen im Mai hatten die Parteien CDU, FDP und Die Grünen eine Ablehnung des Vertrages angekündigt. Noch im März hatte die Vorgängerregierung unter Führung der SPD an einer Überarbeitung des Gesetzes mitgewirkt und ihre Zustimmung signalisiert. Die neue Regierung drängt nun aber auf grundlegende Änderungen, wäre wohl auch bereit zu einem Alleingang. Es ist dabei vor allem die FDP, die sich für eine weitergehende Liberalisierung des Marktes einsetzt. Andere Bundesländer mit FDP-Regierung könnten dem Vernehmen nach ebenfalls ausscheren. Der Vertrag in seiner bisherigen Form hätte lediglich im Bereich der Sportwetten für eine gewisse Öffnung gesorgt. So sollten zunächst 35 Konzessionen an Buchmacher ausgegeben werden.

Das ist nach Aussage des parlamentarischen Geschäftsführers Hans-Jörn Arp (CDU) deutlich zu wenig. Er lässt kaum ein gutes Haar an dem Vertragswerk. Vor allem moderne Spielformen wie Live-Wetten, Online Casinos und Poker würden verboten bleiben. Damit würde das Gesetz de facto den Schwarzmarkt fördern, da ein Interesse an diesen Spielen nicht zu leugnen sei. Zudem würde man weiterhin EU-Recht verletzen, wenn man Sportwetten unterschiedlich zu anderen Glücksspielformen behandle.

Die Entscheidung der neuen Regierung in Schleswig-Holstein ist wenig überraschend. Schon die letzte schwarz-gelbe Landesregierung hatte 2012 den Staatsvertrag verlassen und ein eigenes Lizenzierungsverfahren gestartet. Dadurch wurden 20 Anbieter unterschiedlicher Ausrichtung konzessioniert, Buchmacher ebenso wie Online Casinos. Doch diese Lizenzen verlängerte die folgende SPD-Regierung unter Ministerpräsident Thorsten Albig nicht, sondern trat dem Staatsvertrag bei. Ein Fehler, wie Hans-Jörn Arp im Landtag an Albig gerichtet ausführte:

Es war damals schon falsch, unser Glückspielgesetz, das erfolgreich war, das modern war, das auch die Möglichkeit der Kontrolle bot, von guten Beamten vorbildlich vorbereitet, durch ein schlechteres Gesetz unter Ihrer Regie abzulösen. Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag ist mit Europarecht nicht vereinbar. Er unterstützt zudem nicht die Ziele des Landes.

Nun scheint es also, als würden im Land zwischen den Meeren die Uhren zurückgedreht werden. Doch diesmal will das nördlichste Bundesland möglichst viele Partner auf seinem Weg mitnehmen. Der Ausstieg soll ein Signal an den Rest der Republik sein und zeigen, dass eine moderne Glücksspielgesetzgebung möglich ist – und zwar zum Vorteil aller Seiten. So skizzierte Arp die Ziele eines möglichen neuen Vertrages:

Unsere Ziele sind ganz einfach: […] wir wollen den Spielerschutz, wir wollen dafür sorgen, dass Geldströme kontrolliert werden, den Jugendschutz besser kontrollieren, wir wollen aber auch den Lottoblock stärken und attraktiver machen – da hat er uns an seiner Seite, um das einmal in aller Deutlichkeit zu sagen. Und, auch das ist für uns Voraussetzung, er muss definitiv mit Europarecht vereinbar sein. Hans-Jörn Arp, Parlamentarischer Geschäftsführer (CDU)

Zur rechtlichen Stärkung des Vertrages dürfte vor allem eine Gleichbehandlung der verschiedenen Akteure im Glücksspiel beitragen. Derzeit wird vor allem das Lottospiel von staatlicher Seite bevorzugt. Da ein erheblicher Teil der Erlöse dem Gemeinwohl zu Gute kommen, hat es eine Sonderstellung inne. Doch diese ist rechtlich nicht unbedenklich, denn auch andere Spielformen könnten zweckgebunden besteuert werden. Die Vorschläge der CDU gehen denn auch in diese Richtung, es sollen mehr Spiele legalisiert und damit kontrollierbar gemacht werden:

Bei Sportwetten gehören heute die Livewetten dazu. Die Anzahl der Lizenzen kann man nicht begrenzen. Und man muss die Realitäten erkennen: Pokerspiele gehören heute täglich im Internet dazu, ebenso wie Casinospiele, die überhaupt nicht kontrolliert werden.

Ambitionierte Zielsetzung

Um Fortschritte zu erzielen, sollen sich laut Arp „alle Beteiligten an einen Tisch setzen“. Es sollen explizit nicht nur die politischen Akteure entscheiden, sondern auch die Interessen des Lotto- und Totoblocks sowie dessen Konkurrenten gehört werden. Gerade der Lotto- und Totoblock hat sich immer wieder gegen die Legalisierung anderer Spielformen ausgesprochen. Die staatlichen Lotterien fürchten die private Konkurrenz, da diese vermutlich nicht in gleicher Form dem Gemeinwohl untergeordnet würde. Es dürften zähe Verhandlungen nötig sein, um eine für alle Beteiligten akzeptable Neuordnung des Marktes zu erreichen.

Innerhalb eines Jahres will die Jamaikakoalition dennoch einen Gesetzesentwurf vorlegen, der sowohl Online Casinos, Poker und Sportwetten erlauben und unter staatliche Kontrolle stellen soll. Und zwar in einer Weise, die auch den Anforderungen an verantwortungsvolles Spielen genügen soll. Von zu erwarteten Steuereinnahmen sollen laut CDU unter anderem Feuerwehren sowie Kulturverbände und Sportvereine profitieren. Möglicherweise wird also auch Deutschland in absehbarer Zeit in den Genuss einer ernsthaften und zeitgemäßen Glücksspielgesetzgebung kommen. Möglicherweise wird uns die Hängepartie im deutschen Recht aber auch noch länger erhalten bleiben.

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