Österreich: Kritik an Glücksspielregeln

Die Universitäten Osnabrück und Passau stellen die Rechtmäßigkeit der österreichischen Glücksspielgesetzgebung infrage. In einem Gutachten, in Auftrag gegeben von der OVWG (Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel), erklären zwei Professoren, dass die Gesetzgebung inkohärent sei und zudem gegen das EU-Recht verstoße. Kritisiert wird vor allem die Monopolstellung von Casinos Austria. Könnte das Gutachten eine Reform einleiten?

Der Campus der Universität Osnabrück.

Der Campus der Universität Osnabrück, wo die Überprüfung des Gesetzes durchgeführt wurde. ©Neonbrand/Unsplash

Verstöße gegen EuGH-Entscheidungen

Das österreichische Glücksspielmonopol der Casinos Austria gerät derweil massiv unter Druck. Grund ist das juristische Gutachten zweier Professoren der Universitäten Osnabrück und Passau. Im Vorfeld hatte der nationale Glücksspielverband OVWG eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Gesetzes in Auftrag gegeben. Seit Jahren wurde die Rechtslage von privaten Online Glücksspielanbietern, die in der EU lizenziert sind, kritisiert.

Laut Aussagen der beiden Akademiker, Bernd J. Hartmann und Tristan Barczak, handelt es sich um eine unstimmige Gesetzgebung, die gegen die Dienstleistungsfreiheit der EU verstößt. Hierfür werden mehrere Beispiele angeführt, die das österreichische Regelwerk vehement infrage stellen. Dies nicht nur in Bezug auf den Onlinesektor, der in Österreich nur den Casinos Austria vorbehalten ist, sondern auch auf das landbasierte Geschäft.

Kritisiert wird, dass drei zusätzliche Casinolizenzen, die eigentlich im Glücksspielgesetz von 2010 vorgesehen waren, nicht EU-weit ausgeschrieben wurden. Trotz eines Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätten weiterhin nur die teilstaatlichen Casinos Austria Lizenzen erhalten. Dies verstoße gegen das sogenannte Kohärenzgebot und sei rechtswidrig. Darüber hinaus sei es juristisch nicht vertretbar, dass Poker nur bei Casinos Austria gespielt werden darf.

Die Professoren weisen darauf hin, dass das Poker-Monopol der Casinos Austria im letzten März zur endgültigen Schließung der CCCs geführt hat. Da die Lizenz der berühmten CCC-Kette (Concord Card Casino) Ende 2019 auslief, hatte der selbsternannte Pokerkönig Peter Zanoni seine unternehmerische Existenz verloren. Im Vorfeld war es zur Insolvenz durch hohe Steuerschulden gekommen. Zanoni hatte sich über Jahre hinweg für eine fairerer Besteuerung und freies Pokern eingesetzt. Sogar eine Bürgerinititative wurde gestartet, um die 12 Casinostandorte zu retten.

Casinos Austria-Werbung rechtswidrig?

Die Professoren gelangen in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die Gestaltung des österreichischen Glücksspielgesetzes, inklusive der Wettregulierung, großteilig nicht mit EU-konformen Richtlinien vereinbar ist. Bis entsprechende Überarbeitungen vorgenommen worden sind, sei das Gesetz gar nicht anwendbar. Vor diesem Hintergrund sei auch das Marketing von Casinos Austria unrechtmäßig und müsse eingestellt werden.

An dieser Stelle äußerten die Professoren erhebliche Bedenken. Die Casinos und Lotterien würden sich nicht an die von der EU vorgeschriebenen Werberichtlinien halten. Es bestehe ein Mangel an regulierenden Hinweisen und Strategien, die die Spieler zu legalen Angeboten führen. Einerseits müssten Problemspieler geschützt, andererseits eine erfolgreiche Kanalisierung angestrebt werden.

Obendrein gebe es in der österreichischen Gesetzgebung keine Rechtsschutzmöglichkeiten für Werbeangebote von Konkurrenzunternehmen, ebenso fehle eine unabhängige Behörde, die das Marketing von Casinos Austria flächendeckend überwacht. Gerade angesichts der Monopolstellung, die die europäische Dienstleistungsfreiheit eindämmt, dürfe sich die Art des Marketings nicht lediglich an der Gewinnmaximierung orientieren.

Kritisiert wird in diesem Kontext auch, dass sich die höchsten österreichischen Justizinstanzen – der Verfassungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof und der Oberster Gerichtshof – 2016 einstimmig zur Einhaltung des EU-Rechts verpflichtet haben, jedoch nach wie vor nicht im Einklang mit den Vorgaben agieren. Stattdessen würde weiterhin an den verfassungswidrigen Verfahren und an dem Monopol festgehalten.

Für die Überwachung des österreichischen Glücksspielsektors ist bisher nur das Finanzministerium zuständig. Diesem obliegen nicht nur die Regulation und die Lizenzierung, sondern auch die Eigentümervertretung der Branche. Im März 2020 forderte die ÖVP daher bereits eine neue Glücksspielaufsicht, die die Rolle des Ministeriums entflechten soll. Die momentane Situation sei vor allem aufgrund des boomenden Online Glücksspiels zu überdenken. Laut Finanzminister Gernot Blüm sei es bedeutsam, die Vertikalen dem Einflussbereich der Politik zu entziehen und auf eine unabhängige Behörde zu übertragen.

Unbegründete Differenzierungen

Ein weiterer umfassender Kritikpunkt bezieht sich auf die Differenzierungen, die Österreich zwischen einzelnen Glücksspielarten vornimmt, die jedoch nicht hinreichend begründet werden. Als Beispiel wird angeführt, dass die landesweit liberalisierten Sportwetten, im Gegensatz zu Spielautomaten, kein Glücksspiel sind. Auch diese eigenwillige Unterscheidung verstoße gegen das Kohärenzgebot der EU.

Bei den Regelungen für Spielautomaten kommt es laut Gutachten zu weiteren inkohärenten Unterscheidungen. Während für einzelne Spielautomaten, zum Beispiel in Gaststätten, besonders strenge Spielerschutzvorgaben wie Einsatzlimits gelten, würden die Vorgaben in Spielhallen kaum beachtet. Darüber hinaus würden die Casinos Austria ihre digitalen Lotterie-Terminals vorwiegend in österreichischen Bundesländern aufstellen, in denen Lottierteilnahmen per Automat verboten sind.

OVWG fordert Gesetzesänderung

Laut Aussagen des OVWG zeige das Gutachten eindeutig, dass in Österreich, das zuletzt vor allem durch Glücksspiel-Razzien von sich Reden machte, eine unrechtmäßige Glücksspielgesetzgebung vorliegt. Online Glücksspielbetreiber, die in der EU lizenziert sind, dürfen demnach in Österreich aktiv sein, so das Kredo des OVWG-Präsidenten Claus Retschitzegger. Die Gesetzgebung sei dahingehend zu ändern und das Monopol der Casinos Austria aufzuheben.

Die Regierung des Landes hat sich bisher nicht zu dem Gutachten geäußert. Klar ist, dass eine Regulation des boomenden Online Glücksspiels nicht nur bessere Kontrollmöglichkeiten, sondern auch viele wirtschaftliche Chancen wie Arbeitsplätze und Steuereinnahmen birgt. Die Entwicklungen bleiben vorerst abzuwarten.

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