Las Vegas: MGM verklagt die Opfer des Amoklaufs 2017

Um Schadensersatzansprüchen vorzubeugen, verklagt der Inhaber des Mandalay Bay Resort and Casino, MGM Resorts Entertainment, aktuell über 1000 Opfer des ‚Todesschützen von Las Vegas‘, der im vergangenen Oktober 58 Menschen von dem Hotel aus erschoss. Weltweit wächst die Empörung gegen den Börsenkonzern.

Ein Foto des legendären Mandalay Bay Resort and Casino am Las Vegas Strip

Das legendäre Mandalay Bay Resort and Casino am Las Vegas Strip, von wo aus Stephen Paddock 58 Menschen erschoss. Der 32. Stock ist bis heute Sperrzone. (Bildquelle)

Mehr als zehn Monaten nach dem ebenso tragischen wie erschreckenden Amoklauf am Las Vegas Strip, setzt die Hotelkette MGM zu einem juristischen Präventivschlag gegen mehr als 1000 Betroffene des Massakers an: Mit einem Sammelsurium an Feststellungsklagen, eingereicht an den Bundesgerichten von Nevada und Kalifornien, versucht der milliardenschwere Konzern jegliche Verantwortung von sich zu weisen und etwaige Schadensersatzansprüche schon im Keim zu ersticken.

Hierfür bezieht sich MGM auf einen 2002 im Rahmen des 9/11-Kongresses in Washington D.C erlassenen Anti-Terrorparagraphen – den sogenannten „Support Anti-Terrorism by Fostering Effective Technologies Act“ oder „Saftey Act“ – der sämtlichen Sicherheitsfirmen Schutz vor Schadenersatzansprüchen garantiert, welche erstens vom US-Heimatschutz lizensiert sind und zweitens „Anti-Terrorismus-Technologien“ einsetzten. Eine ebensolche Firma – nämlich CSC-USA – sei auf dem Musikfestival für MGM tätig gewesen, argumentiert Pressesprecherin Debra DeShong.

Zudem sei das Festivalgelände im Vorfeld durch den staatlichen Sicherheitsdienst Homeland Security überprüft und als ‚ausreichend sicher‘ eingestuft worden. Die Festivalbesucher seien schlussfolgernd nicht nur durch die Schüsse des Amokläufers Paddock zu Opfern geworden, sondern auch weil sie nicht schnell genug aus der Schussbahn geflohen seien. Der vermeintliche Amoklauf müsse in Anbetracht seines tragischen Ausmaßes ohnehin als Terrorakt eingestuft werden, heißt es darüber hinaus.

Angesichts der besagten Faktoren dürfe der Betreiber MGM keinesfalls für die Todesopfer, Verletzungen sowie etwaige sonstige Schäden haftbar gemacht werden. Wortwörtlich bestehe hier „keinerlei Haftung der Klägerschaft gegenüber den Angeklagten“. Alle diesbezüglichen Klagen „müssen abgewiesen werden“, so DeShong laut US-Nachrichtensender CNN.

Zum Verständnis

Am ersten Oktober 2017 feuert der 64-Jährige Stephen Paddock aus einer Hotelsuite im 32. Stock des Mandalay Bay Resort and Casino über zehn Minuten lang, mehr als 1000 Schüsse aus 23 Sturmgewehren, auf die rund 22.000 Besucher eines Country-festivals am Las Vegas Strip, bevor er Selbstmord begeht. Nach wie vor gleicht die Bilanz der Wahnsinnstat der eines wahrgewordenen Alptraums: 58 Tote, 851 Schwerverletzte, tausende Menschen sind traumatisiert, die Welt ist entsetzt.

Das Massaker am Las Vegas Strip gilt als verheerendster Amoklauf der jüngeren US-Geschichte, dennoch sind bis heute viele Fragen ungeklärt: Welches Motiv steckte hinter dem Massenmord? Warum brauchte die Polizei so lange bis zum Einsatzort? Vor allem aber, wie gelang es dem ehemaligen Buchhalter eines Rüstungskonzerns (Lockheed Martin), Paddock, gänzlich unbemerkt, ein derartiges Waffenarsenal in den berühmten Vergnügungskomplex zu schmuggeln?

Ein „heuchlerisches Manöver“

Auf Grund der Fülle an Ungereimtheiten sowie der bis dato ungeklärten Schuldfrage, sieht sich die in Las Vegas ansässige MGM-Gruppe mit inzwischen über 2500 Zivilklagen der Opfer und Angehörigen in punkto Schadensersatz konfrontiert. Ein Präzedenzfall in der Sache könnte möglicherweise eine Lawine lostreten, die MGM langfristig Milliarden kostet. Dass es dem Konzern daher lediglich um eine Klärung der Rechtslage in der Angelegenheit gehe, hatte Pressesprecherin DeShong mehrfach beteuert. Trotzdem wächst die Empörung über das juristische Walten des Konzerns.

Die Überlebenden würden erneut zu Opfern gemacht, heißt es von Seiten der Opfervereinigung Route 91 Strong. Viele der Betroffenen litten bis heute unter posttraumatischen Belastungsstörungen, seien im Zuge dessen arbeitslos geworden und hätten Suizidgedanken, so eine Sprecherin.

Noch drastischer drückt sich hingegen der Opfer-Anwalt Robert Eglet aus, der die Sammelklagen MGMs als das sowohl „unverschämteste“ wie auch „verwerflichste Verhalten“ in über 30 Jahren seiner Berufsausführung bezeichnet. Das Vorgehen des Konzerns grenze an Sittenwidrigkeit. Dazu sei es „einfach traurig sich auf dieses Niveau herab zu begeben“, so der Anwalt fortführend.

Auch der US-TV-Anwalt Brian Claypool ist einer der Opfer-Anwälte – zum Zeitpunkt des Massakers war er tragischerweise selbst auf dem Konzertplatz zugegen. In der Klagewelle sieht Claypool ein „heuchlerisches Manöver“ zur Einschüchterung der Überlebenden – diese hätten jedoch eindeutig Anspruch auf Wiedergutmachung, wie er vermerkt. Darin, dass sich die Feststellungsklagen nur gegen Personen richten, die MGM entweder schon verklagt oder damit gedroht hat, sieht der Anwalt grundsätzlich eine Form von Nötigung. Die Debatte werde sich für MGM in einen „PR-Alptraum“ verwandeln, so Claypool weiter.

Ob die Bundesrichter in Nevada und Kalifornien diese Einschätzung teilen, bleibt vorerst abzuwarten. In Anbetracht des zunehmenden medialen Drucks könnte sich MGMs juristischer Präventivschlag wohl durchaus schnell in einen ethischen Tiefschlag verwandeln.

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