Campione: Relaunch-Plan bewilligt

Die Insolvenz des Casinó di Campione sorgte 2018 in ganz Europa für Schlagzeilen, denn hierdurch wurde der italienischen Exklave Campione d’Italia die Existenzgrundlage entzogen. 500 Casinomitarbeiter saßen plötzlich auf der Straße, über 100 Gemeindeangestellte verloren ihre Jobs. Nach einem Kredit der italienischen Regierung und einem Wechsel zum Zollgebiet der EU scheint sich die Region zu erholen. Das Casino soll wiedereröffnen. Ein entsprechender Relaunch-Plan wurde jüngst von einem Gericht in Como bewilligt.

Eine Person mit Kapuze blickt auf den Luganersee.

Zahlreiche Mitarbeiter blicken seit der Schließung in eine ungewisse Zukunft. ©PaulGilmore/Unsplash

Betrieb vorerst mit nur 174 Mitarbeitern

Das Casinó di Campione, einst das größte Casino Europas, steht nach seiner Insolvenz 2018 kurz vor der Wiedereröffnung – schon im September soll am Luganersee wieder gespielt werden. Eine Hürde war die Bewilligung des Relaunch-Plans, doch diesen hat das zuständige Gericht in der Provinz Como nun freigegeben. Weil das Etablissement eine Rationalisierung seiner Kosten vornehmen muss, wird es vorerst aber nur mit 174 Angestellten arbeiten.

Zum Vergleich: Als das Casino im Juli 2018 geschlossen wurde, waren noch 500 Angestellte im Einsatz. Um Kosten zu sparen, sollen nun auch die Gehälter nach unten angeglichen werden. Die Gemeinde Campione soll außerdem nur noch 7,5 Millionen Euro über fünf Jahre aus dem Casinogeschäft erhalten. Bürgermeister Roberto Canesi warnte: Es dürfe keine Rückkehr zur totalen Abhängigkeit vom Glücksspiel – einer ökonomischen Monokultur – geben.

Über die ersten fünf Jahre wird der Bruttospielertrag auf 106 Millionen Euro geschätzt – ein solcher Betrag galt in der goldenen Ära des Casinos für ein einziges Betriebsjahr. Zudem wird auch der hypothetische Gewinn pro Kunde im Relaunch-Plan geschätzt: Jede Spielerin oder jeder Spieler lässt demnach umgerechnet etwa 137 Euro bei einem Besuch im Casino zurück. Diese Schätzungen sorgten dafür, dass dem Plan jüngst auch etwaige Gläubigerbanken zustimmten.

Zum Verständnis: Wegen dauerhafter Zahlungsunfähigkeit wurden die Pforten des 50 Millionen Euro teuren, zehn Stockwerke hohen Etablissements am Luganersee im September 2018 durch Gerichtsvollzieher der Provinz Como geschlossen. Rund 500 Mitarbeiter wurden von einem auf den anderen Tag entlassen, die Türen des Casinos offiziell versiegelt. Noch 2017 hatten die Anwohner der Gemeinde das 100-jährige Jubiläum ihrer berühmten Spielbank gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt lag der Umzug in ein neues hochmodernes Gebäude des Schweizer Stararchitekten Mario Botta nur 11 Jahre zurück. Das Casino hatte 2018 Schulden von 155,6 Millionen Euro, während die Haushaltskasse von Campione ein Minus von 124 Millionen Euro aufwies.

Um eine weitere Insolvenz zu vermeiden, soll beim Neustart auf Abhängigkeiten von Dritten verzichtet werden – Finanzierungen und Kreditvergaben von privaten Investoren sind demnach ausgeschlossen. Die Schulden von Campione d’Italia, das über Jahrzehnte von dem Casino abhängig war, beliefen sich im Juni 2019 immer noch auf umgerechnet etwa 4,5 Millionen Euro. Das Casino selbst stand vor einem Schuldenberg von etwa 130 Millionen Euro.

Schulden durch Glücksspiel abbezahlen

Aus diesem Grund hatte die italienische Exklave, die vom Schweizer Tessin umgrenzt wird, einen Wechsel ins Zollgebiet der EU vollzogen sowie einen millionenschweren Kredit bei der italienischen Regierung aufgenommen. Das Casino hat ab September Bewährungsprobe, denn Italien hat seine Zahlungen an die etwa 2.000 Einwohner zählende Gemeinde Campione inzwischen wieder stark reduziert.

Innerhalb einer vom Konkursgericht eingeräumten Frist musste die Verwaltungsgesellschaft des Casinos den besagten Relaunch-Plan einreichen. Dieser enthält genau definierte Zeitpunkte und Kennzahlen, welche eine nachhaltige Entwicklung sicherstellen sollen. Das Casino, so das Konkursgericht, soll seine Schulden von innen heraus selbst abbezahlen – und zwar durch erfolgreiche Glücksspielgeschäfte.

Kann Campione an alte Erfolge anknüpfen?

Laut Relaunch-Plan könnten die Schulden von Campione und seinem Casino bis 2027 komplett abbezahlt sein. Der Schuldenabbau soll mit einem Aufbau der Mitarbeiterzahlen einhergehen. Schon 2026 wolle man die Zahl der Angestellten auf etwa 270 aufstocken. Dass dies gelingt, ist wahrscheinlich, denn das Casino genießt eine Sonderstellung: In Italien gibt es nur drei weitere Spielbanken, in Sanremo, Venedig und Saint-Vincent.

Die Maßnahmen wurden allesamt im Rahmen des Insolvenzverfahrens festgelegt. Laut Insidern gibt es große Hoffnungen und Vertrauen in den Sanierungsplan – das Casino könne vor allem nach den Lockerungen der Corona-Lockdowns wieder Kunden anziehen und genügend Gewinne erwirtschaften. Grund dafür sei besonders die vorteilhafte Lage des Etablissements. In seiner geographischen Position sei das Casinó di Campione stark aufgestellt, da es gleichermaßen Kunden aus der Schweiz sowie aus Italien bedienen könne. Ob die positiven Prognosen tatsächlich eintreten, bleibt vorerst abzuwarten.

Die Gesetze für Spielbanken in Campione sind weniger streng als im Rest Italiens. Dazu könnten sich die Maßnahmen zur Kostensenkung positiv auf die Entwicklungen auswirken: Gestrichen wurde zum Beispiel der Catering-Service, der früher hohe festbudgetierte Kosten verursachte, die sich jedoch kaum rentiert hatten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Senkung der jährlich zuzahlenden Beiträge an die Stadt. Ob die gewünschten Erfolge eintreten, bleibt abzuwarten.

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