Bundesliga-Wetten wieder gestartet

Die deutsche Bundesliga hat sich am vergangenen Wochenende als erste europäische Spitzenfußball-Liga wieder zurückgemeldet. Gleichzeitig kommt der angeschlagene Sportwettmarkt wieder in Schwung. Die Entwicklung wird jedoch nicht von allen Seiten begrüßt. Laut Experten sind Geisterspiele unvorhersehbar. Zudem könnten Wettmanipulationen zunehmen. Sind die Bedenken gerechtfertigt?

Deutsche Fußballfans jubeln im Stadion.

Bis ein Corona-Impfstoff entwickelt ist, wird der Sport- und Wettmarkt nicht derselbe sein. ©Ganossi/Pixabay

Besonders viele Unwägbarkeiten

Seit dem Wochenende (16. Mai) ist wieder Bundesliga. Unter anderem wartete der 26. Spieltag mit dem Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 auf, welches der BVB mit einem 4:0 klar für sich entscheiden konnte. Aufgrund des Infektionsschutzes fanden die Spiele als Geisterspiele statt, also ohne Publikum. Mit über 5 Millionen Zuschauern meldete der Pay-TV-Sender Sky einen neuen Rekord.

Wegen der europaweiten Aussetzung des Spitzensports hatte der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) zuletzt einen Umsatzeinbruch von 90 Prozent gemeldet. Der Anstoß ist daher nicht nur für Fans, sondern auch für die Buchmacher ein Licht am Ende des Tunnels. Da die anderen europäischen Ligen voraussichtlich erst Mitte Juni durchstarten, konzentriert sich die Wettbranche zurzeit voll und ganz auf das Bundesligageschehen.

Hierbei ergeben sich jedoch für Anbieter und Kunden einige nie dagewesene Situationen. Experten und Insider kritisieren die vielen außergewöhnlichen Unwägbarkeiten. Zum Beispiel lässt sich der Fitnesszustand der Mannschaften nach einer monatelangen Pause nur schwer einschätzen. Darüber hinaus handelt es sich bei Geisterspielen um ein absolutes Novum für den Markt. Hierdurch könnten die Spiele unvorhersehbare Wendungen nehmen.

Geisterspiele pushen Heimsieg-Quote

Der Heimvorteil fällt durch das Ausbleiben der Zuschauer weg. Dies spiegelt sich in den gestiegenen Quoten auf Siege im heimischen Stadion wieder. Allerdings könnte sich die neue Ungewissheit für die Buchmacher komplizierter gestalten als für die Kunden, denn normalerweise wissen die Sportwettanbieter deutlich mehr über die Ausgangsbasis eines Spiels. Ein Wettkunde erklärte diesbezüglich gegenüber dem Magazin Focus:

“Niemand weiß, wie sich das veränderte Training und die Geisterspiele auf die Mannschaften und deren Form auswirken. Der Informationsvorsprung der Buchmacher ist geringer geworden, das ist ein Vorteil für die Tipper.”

Einige deutschlandweit bekannte Buchmacher, unter anderem Tipico, haben bereits auf die Ausnahmesituation reagiert und bieten Tipps auf eine „Geisterliga“ an. Hierfür wurde eine eigene Tabelle für die Spieltage 26 bis 34 erstellt. Am Ende der Saison soll ein „Geistermeister“ ernannt werden. Gewinnt beispielsweise der FC Bayern die „Geisterschale“, erhält der Tipper das 200-fache seines Einsatzes.

Nehmen Wettmanipulationen zu?

Davon geht die Antikorruptionsorganisation Transparency aus. „Wenn sich jetzt Wettanbieter und Glücksspieler auf den deutschen Wettmarkt konzentrieren, weil nur hier wieder Profifußball stattfindet, werden auch die Wettbetrüger mit von der Partie sein“, erklärte hierzu Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency Deutschland. Überall würden Menschen derweil darauf warten, wieder wetten zu können, wobei die Sicherheit auf der Strecke bleiben könnte.

Den Aussagen des Spiegel zufolge, hatte die UEFA schon im letzten April vor einem erhöhten Risiko der Wettmanipulation gewarnt. Unter anderem soll es in der Ukraine zu Manipulationen gekommen sein: Wettgewinne auf untere Ligen wurden ausgeschüttet, obwohl die Spiele wahrscheinlich überhaupt nicht stattfanden.

Auch in der Bundesrepublik kam es schon zu Betrugsvorfällen. 2005 sorgte der Schiedsrichterskandal um Robert Hoyzer für Furore. Zuletzt geriet das Thema im Januar 2018 in den öffentlichen Fokus: Die drei Fußballprofis Addy Menga, Tobias Willers und Marc Heider mussten sich vor Gericht wegen versuchter Erpressung im Kontext von Spielmanipulation verantworten. Die Angeklagten sollen sich hierdurch „eigene Vermögensvorteile“ versprochen haben.

Diskussion um Risiken

Der Anwalt Carsten Thiel von Herff nimmt hingegen an, dass das Wettvolumen infolge des Bundesligastarts zwar steigen wird, es jedoch nicht zu einer Zunahme der Manipulationen kommen wird. Der Jurist arbeitet seit knapp zehn Jahren als unabhängiger Ansprechpartner mit den Spielern der ersten und zweiten deutschen Liga zusammen. Diese würden vom DFB regelmäßig in punkto Wettmanipulation geschult.

Die Anzahl der Spieler, zu denen Betrüger Kontakt suchten, sei im Vorfeld der Bundesliga-Fortsetzung nicht gestiegen. Im Gegenteil sei das Risiko der Kontaktaufnahme durch die Quarantänemaßnahmen sogar deutlich geringer. Die Transparency-Sprecherin Schenk hielt zuletzt dagegen und erklärte, dass „Insiderwissen“ viel Geld bringe und heutzutage bequem digital oder per Telefon preisgegeben werden könnte.

Sportwettmarkt im Wandel

Abseits der Diskussionen um Geisterspiele und Wettmanipulation sind sich Experten, Fans und Wettkunden darüber einig, dass der Sport-und Wettmarkt nicht mehr derselbe sein wird, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 gefunden ist. Doch auch schon vor der Pandemie befand sich der boomende Sektor im Wandel, was vor allem auf die geplante Regulation des Online Glücksspiels in Deutschland zurückzuführen ist.

Die bereits seit Anfang 2020 geltenden Sonderregeln für Online Sportwetten sollten eigentlich aus dem dritten Glücksspielstaatsvertrag in den neuen Gesetzeskatalog überführt werden. Längst hatte man mit der Vergabe von Lizenzen an internationale Betreiber begonnen. Das Verfahren wurde Anfang April jedoch überraschend durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt gekippt.

Grund war die Klage des österreichischen Anbieters „Vierklee“, der die deutsche Lizenzvergabe als intransparent und diskriminierend kritisierte. DSWV-Präsident Mathias Dahms erklärte, dass Urteil sei ein schwerer Schlag gegen die geplante Liberalisierung. Ob es nun zu einem weiteren Regulationsmarathon kommen wird, ist bis dato völlig unklar. Die Entwicklungen bleiben vorerst abzuwarten.

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