Brasilien: Sportwetten gegen Corona

Um das Land aus dem Würgegriff von Covid-19 zu befreien, hat Brasilien ein milliardenschweres Rettungspaket verabschiedet, das unter anderem die Privatisierung des Sportwettsektors vorsieht. Die Schaffung neuer Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätze hat dabei oberste Priorität. Die Regulation von Sportwetten befindet sich in Brasilien schon seit längerem in der Schwebe, kommt es nun tatsächlich zur Umsetzung?

Das Maracana-Stadion von Rio de Janeiro.

Trotz Covid-19 setzt Brasilien zurzeit seinen Sportbetrieb fort, einige Teams protestieren. ©Guertzen/Pixabay

Entstaatlichung der Sportlotterie

Noch im Februar hatte Brasilien sein neues Sportwettgesetz überarbeitet, nur wenige Tage später sorgte der Ausbruch von Covid-19 für einen wirtschaftlichen und sozialen Super-GAU, der bis heute anhält. Um das Land aus der Krise zu führen, hat der Nationalrat für Investitionspartnerschaften (PPI), ein Regierungsorgan zur Förderung von Investitionen, nun ein umgerechnet knapp 7 Mrd. Euro schweres Rettungspaket verabschiedet.

Auf der 13. Sitzung des PPI-Rates wurde eine Reihe von Konzessions- und Privatisierungsprozessen in die Wege geleitet, die der Staatskasse neue Einnahmen verschaffen könnten. Flughäfen sowie der Sportwettsektor sollen privatisiert werden. Daneben sind Konzessionen zur Erschließung neuer touristischer Einrichtungen und Nationalparks geplant. Außerdem werden neue Sondierungsprojekte zur Erschließung natürlicher Reserven wie Öl, Gas und Mineralien eingeleitet.

Im Bereich Sportwetten geht es um die Privatisierung der bisher staatlichen Sportlotterie, die Sportwetten mit festen Quoten anbietet. Legal dürfen die Wetten bisher nur von CAIXA vertrieben werden, einer Bank Brasiliens, die gleichzeitig als staatlicher Finanzdienstleister fungiert und die meisten Lotterien des Landes verwaltet. CAIXA ist auch als Sponsor im Fußball aktiv. Das Unternehmen zählt mehr als 32 Millionen Kundenkonten.

Arbeitsplätze und Investitionschancen

Künftig sollen sich privatgeführte Unternehmen um Lizenzen zum Anbieten von Sportwetten bewerben dürfen. Der Anlass für das Projekt geht dabei weit vor die derzeitige Corona-Krise zurück. Bereits im Jahr 2016 wurde ein entsprechendes Programm für Investitionspartnerschaften unter dem Titel „Programa de Parcerias de Investimentos“ manifestiert. Ziel war es, bestimmte Sektoren, zum Beispiel Sportwetten, aus der staatlichen Obhut zu entbinden.

Im Fokus des Programms steht die Schaffung von Arbeitsplätzen und neuen Investitionsmöglichkeiten. Ein weiterer Punkt ist die Förderung neuer Technologien, um die industrielle Entwicklung voranzutreiben, ebenso wie die der öffentlichen Infrastruktur. Darüber hinaus soll der faire Wettbewerb auf verschiedenen Märkten verbessert werden, womit eine Verstärkung der Autonomie staatlicher Regulierungsbehörden einhergehen soll.

Ziele auf Sportwetten anwendbar

PPI gab zwar noch keine exakten Zahlen an, schätzt aber, dass die Überführung von Sportwetten in den legalen und regulierten Bereich millionenschwere Einnahmen generieren kann. Obendrein würde der Schritt digitale Innovationen fördern, wodurch neue Arbeitsplätze entstehen. Laut Martha Seillier, einer Sprecherin des PPI, sind die formulierten Ziele besonders gut auf den Sportwettsektor anwendbar.

Die Sportlotterie soll daher in das Programm des PPI aufgenommen werden, um internationale Partner, unter Einhaltung der Gesetzgebung, nach Brasilien zu locken. Zu diesem Zweck werde die Sportlotterie so umstrukturiert, dass Lizenzen erworben werden können. Damit sich die Bemühungen rechnen, ist die Erhebung von Wettsteuern geplant. Die Konkretisierung der Pläne wird nun die Entwicklungsbank (BNDES) und das Wirtschaftsministerium übernehmen.

Abweichung von SECAP-Vorgaben?

Das neue Konzept widerspricht dem Lizenzierungsprozess, der zuletzt auf dem Glücksspielgipfel in Brasilien erörtert wurde. Hiernach sollte jeder Buchmacher eine Lizenz erhalten, der die vom Sekretariat für Bewertung, Planung, Energie und Lotterie (SECAP) ausgearbeiteten Lizenzbedingungen erfüllt. Es bleibt auch unklar, wann die Sportwetten im Land tatsächlich live gehen werden. Laut iGamingBusiness sei eine Marktöffnung nicht vor 2021 zu erwarten

Ein zentrales Thema, welches vom SECAP ausgearbeitet wurde, war das Thema Spielerschutz. Um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Glücksspielrisiken zu schützen, sollte für Sportwetten künftig eine Altersgrenze ab 18 Jahren gelten. Zudem müssen alle getätigten Einsätze kontenbasiert ablaufen, womit das Alter der Wettkunden sichergestellt werden sollte.

Außerdem wurde von allen Antragstellern verlangt, nachzuweisen, dass sie zu keiner Zeit wegen strafrechtlicher, verwaltungstechnischer, zivilrechtlicher oder finanzieller Vergehen verurteilt wurden. Darüber hinaus wurde eine Bescheinigung über die finanzielle Lage der Unternehmen verlangt. Die Anbieter sollten über eine Finanzreserve von umgerechnet mindestens 1,3 Mio. Euro verfügen. Welche Vorgaben im neuen Prozess einen Platz finden, bleibt vorerst abzuwarten.

Fußballspiele trotz hoher Todesrate

Brasilien wird von der Covid-19-Pandemie zurzeit wie kaum ein anderes Land getroffen. In der vergangenen Woche wurden an zwei Tagen hintereinander mehr als 1200 Corona-Tote innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Die Gesamtzahl der Toten liegt in Brasilien derweil bei über 46.500. Über 955.400 Menschen haben sich bereits mit dem Lungenerreger infiziert. Nur in den USA sind die Zahlen noch höher.

Laut NTV könnten die tatsächlichen Zahlen in dem größten und bevölkerungsreichsten Land Südamerikas noch viel größer sein. Studien deuten darauf hin, dass die Zahlen sieben Mal so hoch sein könnten. Dennoch lässt Brasilien den Ball nach einer dreimonatigen Pause wieder rollen. In Rio de Janeiros Fußballstadion wird seit Freitag (19.06.) wieder gespielt. Der CR Flamengo gewann gegen Bangu AC mit 3:0.

Dies, obwohl in einem Notfalllazarett gleich nebenan weiterhin Menschen sterben. Die Spiele finden zwar ohne Zuschauer statt, dennoch protestieren Vereine wie der Fluminense FC und der Botafogo FR gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Die Entwicklung der Pandemie sowie seine langfristigen Folgen sind momentan kaum absehbar.

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