bet-at-home: Kurseinbruch durch Polens schwarze Liste?

Die in Düsseldorf sitzende Aktiengesellschaft bet-at-home macht die „Blacklist“ Polens für aktuelle Kurseinbrüche an der Frankfurter Börse verantwortlich. Die im Juli 2017 etablierte Online-Sperrliste ist hochumstritten, dennoch will das polnische Ministerium für Digitales weiterhin an dem radikalen Register festhalten.

Die seit über einem Jahr geführte schwarze Liste des polnischen Ministeriums für Digitales scheint unter den europäischen Online-Anbietern für ernsthafte, wirtschaftliche Schäden zu sorgen – zumindest, wenn es nach Buchmacher bet-at-home geht. Nach knapp einem Jahr am polnischen Glücksspielmarkt, zieht die börsennotierte Unternehmensgruppe eine klare Negativbilanz:

Gemessen am Q1 des Vorjahres sei hiernach ein Umsatzrückgang von rund 13 Prozent, auf etwa 66,6 Mio. Euro zu verzeichnen. Allein im Bereich Gruppenwetten kam zu einem Abfall von über 10 Prozent, auf 1,5 Mrd. Euro. Das sogenannte EBITA – eine Betriebskennzahl für den Bruttogewinn – sei infolgedessen von satten 17,4 Mio. Euro, auf lediglich noch 10,9 Mio. Euro gesunken, ein Minus von exorbitanten 37,3 Prozent. An der Frankfurter Börse büßte der Wett-Betreiber zuletzt über 10 Prozent seines Marktwertes (62,40 Euro/Aktie) ein.

Die dramatische Abschwächung der Aktiengesellschaft sei – neben erhöhten Marketingausgaben für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 – vor allem „unkontrollierten Sperrmaßnahmen“ im polnischen Online-Sektor geschuldet. Gegenüber dem Fachmagazin EGR zieht die AG das Fazit:

„Hauptverantwortlich für den Rückgang der Brutto-Wett- und Gaming-Erträge sind EU-rechtswidrige Maßnahmen zur Ausgrenzung von ausländischen Wett- und Gaming-Anbietern in Polen seit Juli 2017.“

Ein Pressesprecher erklärt weiterführend, dass sich die Maßnahmen „völlig willkürlich und unrechtmäßig“ selbst gegen EU-lizensierte Glücksspiel-Webseiten richten würden, weshalb die Blacklist als „Verstoß gegen die europäische Gesetzgebung“ zu beanstanden sei. Internen Berechnungen zufolge habe das Schalten und Walten des polnischen Digital-Ministeriums mindestens 10 Prozent der Umsatzrückläufe zu verantworten, heißt es darüber hinaus.

Über die Strenge geschlagen?

Im Rahmen einer Neuregulierung seines Online-Glücksspielmarktes wurde bereits Anfang April 2017 ein generelles Verbot von ausländischen Online-Anbietern durch das polnische Parlament in Sejm bewilligt. Neben der zusätzlichen Etablierung eines strengeren Lizenzsystems, einigte man sich hier zudem auf eine 12 Prozent-Umsatzsteuer für Online-Glücksspiel.

Um das resolute Re-Regulierungsprogramm abzurunden – das heißt, zwecks schärferer Überwachung und zum Schutz des nationalen Geschäfts, erfolgte obendrein die Eröffnung der (potenziellen) Online-Sperrliste im Juli. Das ‚schwarze Klassenbuch‘ wird unterdessen branchenweit angefeindet, bis dato jedoch vom polnischen Ministerium für Digitales (Ministerstwo Cyfryzacji), der zentralen Instanz für elektronische Kommunikation, sowohl verantwortet als auch verteidigt.

Abstriche in punkto EU-Lizenzierung scheint die Regierungsbehörde diesbezüglich in der Tat nicht zu machen: Derweil umfasst die Blacklist ganze 2.464 Einträge, darunter die Domains diverser, weltweit bekannter Firmen – zum Beispiel PokerStars, Bettson, Unibet, 888, Lottoland, PartyPoker, 5Dimes, Betcris oder Expekt. Bei Verstößen droht den Betreibern die Abschaltung der Website. Auch der Zahlungsverkehr darf gestoppt werden.

Der 1999 in Österreich gegründete Online-Buchmacher bet-at-home war überdies einer der ersten europäischen Betreiber, der sich als vermeintlich illegales Unternehmen in der radikalen Auflistung wiederfand. Seit März 2017 hatte bet-at-home versucht sich am polnischen Markt zu integrieren. Dementgegen hatten die britischen Branchenriesen William Hill und Bet365 zeitgleich verkündet, den polnischen Markt auf Grund der immer strengeren Gesetzeslage in Zukunft hinter sich zu lassen.

Debatte um Datenschutz

Dass der finanzpolitische Rahmen der polnischen Glücksspiel-Gesetzgebung „nicht praktikabel“ sei, weshalb „nur wenige internationale Betreiber Lizenzen in Polen beantragen“ würden, hatte nicht nur der britische Interessenverband RGA (Remote Gambling Association) binnen letzter Monate mehrfach betont. Gerade angesichts der zurückliegenden WM in Russland hatten aus Branchen- und Medienvertreter aus ganz Europa eine wettbewerbsorientierte Liberalisierung des Sektors befürwortet.

Doch nichtsdestotrotz blieben die polnischen Gesetzgeber bislang stur, dabei neigen sie ohnehin eher zum Gegenteil. Erst jüngst hatte die Ankündigung einer Verschärfung der Vorschriften nicht nur europäische Datenschutzbeauftragte hellhörig werden lassen, sondern auch landesweite Proteste ausgelöst. In Planung stand, die Daten von Online-Kunden, die angeblich verbotene Websites besucht hatten, über den polnischen Internet Service Provider (ISP) abzurufen, um das schwarze Domain-Verzeichnis folglich damit zu ergänzen.

Das Vorhaben wurde eingefroren, teilte das Digital-Ministerium am vergangenen Dienstag mit. Man habe „nicht beabsichtigt die Freiheit des Internets einzuschränken“, so hieß es, dürfe aber auch nicht „überinterpretieren“ – an der Blacklist festhalten wolle man in jedem Fall. Zuletzt untermauerte das Oberste Verwaltungsgericht in Warschau ihre Rechtsgültigkeit per Urteilsspruch. Darüber hinaus hat Polens oberste Justizinstanz allein im letzten Monat vier Blacklist-Klagen ausländischer Anbieter abgewiesen. Ein Statement aus Brüssel blieb in der Debatte bisher aus.

Mit dem schwedischen Onlinecasino Cherry rückte kürzlich der neunte ausländische Online-Anbieter auf den polnischen Mark – der erst zweite Anwerber auf eine Lizenz seit Inkraftsetzung der neuen Gesetze. Ob sich Polens ebenso harter wie irrwitzig anmutender Re-Regulierungskurs langfristig rechnen wird – oder ob das Land hier letzten Endes nicht selbst als Verlierer vom eigenen Markt schreitet, bleibt vorerst abzuwarten.

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