Berlin geht gegen Wettbüros vor

Analog zu den Spielhallen geht Berlin nun auch gegen Wettbüros vor. Im Schatten der Corona-Krise hat der Berliner Senat das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag verschärft. Ab Oktober gelten unter anderem Mindestabstände zwischen Wettbüros und Schulen. Betreibern, die sich nicht an die Vorgaben halten, droht die Schließung.

Die Skyline der deutschen Hauptstadt Berlin.

In Berlin Mitte könnte per Losverfahren über die Wettbüro-Lizenzen entschieden werden. ©JonasTebbe/Unsplash

Mindestabstand plus Sperrzeiten

Auf Basis der 2016 verschärften Richtlinien des Glücksspielstaatsvertrags hatte Berlin bereits umfassende Spielhallenschließungen angeordnet. Jetzt plant die Bundehauptstadt einen Rundumschlag gegen Wettbüros. Mitten in der Corona-Krise hat der Senat das sogenannte Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag verschärft. Ab 01. Oktober gelten für rund 400 Berliner Wettbüros ähnlich strenge Vorgaben wie für Spielhallen.

„Wir haben jetzt die rechtlichen Möglichkeiten, den wichtigen Spielerschutz umzusetzen“, kommentierte Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Verschärfung. Viele bisher unklare Situationen würden fortan eindeutig geregelt. Nachdem sich Wettbüros lange in einer rechtlichen Grauzone befanden, gelten nun keine langen Übergangszeiten mehr. Allen Anbietern, die sich nicht an die neuen Vorschriften halten, droht die Schließung zum 30. September.

Eingeführt wird eine Mindestabstandregel nach dem Vorbild des Spielhallengesetzes. Dies bedeutet 200 Meter zu Oberschulen und Jugendeinrichtungen, 500 Meter Abstand zu anderen Wettbüros und 2.000 Meter zu Wettbüros des gleichen Anbieters. Außerdem werden Sperrzeiten vorgesehen. Die Einrichtungen müssen von 3 Uhr nachts bis 11 Uhr morgens – mindestens acht Stunden am Stück – schließen.

Regeln zu lange nicht umgesetzt

Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, ein maßgeblicher Initiator des Gesetzes, sieht in den Maßnahmen einen Fortschritt. „Gerade dort, wo viele Wettbüros dicht an dicht bestehen, wird die Wirksamkeit des Gesetzes konkret vor Ort zu sehen sein und die Stadt lebenswerter machen“, so das Statement des 52-jährigen Politikers, der auch schon am strengen Berliner Spielhallengesetz mitgewirkt hatte.

Wie Buchholz weiter ausführte, habe man die Regelungen für Mindestabstände zwischen Wettbüros und Schulen „viel zu lange“ nicht umgesetzt. Infolge der Verschärfung könne mit einem Rückgang der Wettbüros gerechnet werden, wie es zuletzt auch bei Spielhallen der Fall war. 2019 sorgte in diesem Zusammenhang unter anderem die Schließung von 50 Berliner Spielhallen der Vulkan-Stern-Gruppe für Schlagzeilen.

Die Anzahl der Berliner Spielhallen hat sich inzwischen halbiert, die rechtliche Situation von Wettbüros blieb jedoch weiterhin unklar. Die Einrichtungen galten sogar als illegal, dennoch konnten die Behörden nicht gegen ihre Ausbreitung vorgehen. Erst Anfang des Jahres wurde ein Kompromiss erzielt, der die Gesetzesverschärfung ermöglichte.

Suchtprävention im Fokus

In Berlin sind über 50.000 Personen registriert, die problematische Spielweisen zeigen oder bereits spielsüchtig sind. Eine Verringerung des Angebots soll einer Zuspitzung entgegenwirken. Das neue Gesetz wurde daher nicht nur von der SPD, sondern auch von den Grünen, Linken und der CDU befürwortet. Die Parteien bekundeten, in Zukunft mehr Geld in die Suchtprävention fließen zu lassen. Innensenator Geisel erklärte:

“Wir erhöhen die Mittel für Suchtforschung, Suchtberatung und Suchtprävention von 400.000 Euro auf 600.000 Euro. Wir dürfen bei der ganzen Diskussion über Wettbüros und Standortfragen nicht außer Acht lassen, dass es immer um die Menschen geht.”

Laut aktuellen Studien würden Berliner täglich knapp 600.000 Euro an den landbasierten Automaten und Wettbüros einsetzen. Trotz einer Verringerung der Spielstätten, beliefen sich die Steuereinnahmen im Jahr 2019 auf 43,6 Mio. Euro. Laut Buchholz sei dies darauf zurückzuführen, dass die Betreiber erst mit dem wachsenden Druck der Behörden damit begonnen haben, ihre Einnahmen korrekt zu versteuern.

Schließungen per Losverfahren

Im letzten Jahr wurden in Berlin 80 Spielhallen geschlossen. Parallel wurden 1.700 Spielautomaten in sogenannten Café-Casinos abgebaut. Diese gelten laut Behörden zwar nicht als Spielhallen, würden jedoch ihr Kerngeschäft im Glücksspiel haben. Aufgrund der Problematik und der hohen Dichte an Spielmöglichkeiten kam es zuletzt im Bezirk Berlin Mitte zu einem drastischen Schritt. Die Lizenzen wurden per Losverfahren vergeben.

Initiiert wurde die Aktion von Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne). Am 01. April wanderten insgesamt 43 Spielhallen von 32 Unternehmen in einen Lostopf am Rathaus. Vor dem Hintergrund der stringenten Regelungen konnten lediglich elf Gewinner ermittelt werden. Die Verlierer erhielten eine „Versagung ihres Antrages“. Betroffen sind bis zu 150 Arbeitsplätze.

Georg Stecker, Vorstandssprecher des Industrieverbandes Deutsche Automatenwirtschaft e. V. (DAW), kritisierte scharf, dass die existenziellen Maßnahme mitten in der Corona-Krise stattfanden. Zudem warf der Sprecher den Behörden vor, ein „Konjunkturprogramm“ für illegales Glücksspiel zu betreiben. Immer mehr illegale Automaten würden infolge der Spielhallenschließungen in den Casino-Cafés aufgestellt. Im Wortlaut hieß es:

“Dass der Bezirk Mitte nun ausgerechnet in dieser schweren Zeit über Spielhallenstandorte und somit auch sozialversicherungspflichtige Jobs entscheiden will, ist geschmacklos gegenüber den Beschäftigten. Verbraucher landen in der Illegalität und Servicemitarbeiter in der Arbeitslosigkeit.”

In Berlin hat sich die Anzahl an Spielhallen inzwischen von 600 auf aktuell noch 300 reduziert. Es ist wahrscheinlich, dass sich nun auch viele der ohnehin schwer angeschlagenen Wettbüros auflösen. Es bleibt abzuwarten, ob es auch in diesem Fall zu ähnlichen Losverfahren für die Lizenzierung kommt.

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